Kolumne: Gott Und Die Welt Wie fruchtbar dürfen Katholiken sein?

Papst Franziskus wählte für Kinderreiche jüngst einen Karnickel-Vergleich. Damit dokumentierte er das alte Problem der Kirche mit einer zeitgemäßen Sexualmoral.

Sein größter Hit war es nicht. Aber sein umstrittenster. Zeitweise wurde der Song von Udo Jürgens "Gehet hin und vermehret euch" bei etlichen Rundfunkanstalten mit einem Sendeverbot belegt. Ein Lied mit biblischem Vokabular und beißender Kritik an der Haltung des Vatikans zur Empfängnisverhütung: "Kondom tabu und Pille verpönt - denn aus beruf'nem Munde ertönt: Gehet hin und vermehret euch!" 1988 war das.

20 Jahre zuvor hatte Paul VI. seine Enzyklika "Humanae vitae" veröffentlicht, die unter dem Namen "Pillen-Enzyklika" in die Debattengeschichte der Kirche eingegangen ist. Darin wird den Katholiken jede künstliche Empfängnisverhütung untersagt und zugleich daran erinnert, dass jeder eheliche Akt nur dann sittlich gut sei, wenn er für die Zeugung eines Menschenlebens offenbleibe. Damals war schon die Anti-Baby-Pille im Handel, die die Kirche zur Verkündigung alter Lehren ermunterte. Und gut 20 Jahre nach dem Udo-Jürgens-Lied war es Papst Benedikt XVI., der auf seiner Reise nach Afrika - einem Kontinent mit Millionen von Aids-Infizierten - das Kondom-Verbot erneuerte.

Die Zeiten haben sich merklich gewandelt. Statt Intimpraktiken kirchlich zu verordnen, wurde im vergangenen Jahr das Kirchenvolk umfänglich befragt. Und überraschen durfte das Ergebnis nicht: Zwischen Leben und Lehre klaffte ein ominöser Riss. Denn die meisten Menschen fühlen sich auch dann noch gut katholisch, wenn sie künstlich verhüten. In der Sexualmoral war die Welt da draußen also ein gutes Stück abgerückt von den Kanzeln. Mit Sünde hat das nichts zu tun, vielmehr mit einer modernen Lebenswirklichkeit, in der Sexualität und Fruchtbarkeit weitgehend voneinander entkoppelt wurden. Das schafft Freiheiten und - wie bei vielen Zugewinnen dieser Art - auch neue Verantwortungen. Vielleicht auch neue Lehraspekte.

Papst Franziskus betrieb jüngst unter dem Glaubensstichwort "Verantwortete Elternschaft" ein wenig Populationsforschung. Mithilfe natürlicher Verhängnismethoden sei die Zeugung von drei Kindern pro Paar genau richtig. Für eine Pflichterfüllung darüber hinaus wählte er den Karnickel-Vergleich. Das ist keine Pointe, die größere Haltbarkeit verdient. Das Wort des pragmatischen Papstes dokumentiert die Schwierigkeit im Umgang mit einer Sexualmoral, die wie eine Glaubenswahrheit weiterhin tradiert wird.

Wenn Leben und Lehre nicht im Einklang stehen, muss nicht immer das Leben daran Schuld sein.

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(RP)
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