Kolumne: Hier In Nrw Film ab mit Hannelore Kraft

Sechs Selfie-Filmchen hat Hannelore Kraft seit Ende Januar ins Netz gestellt - und weitere sollen folgen. Mit ihrem Video-Blog ("Vlog") will die Ministerpräsidentin zeigen, "was es heißt, Politik zu leben und zu arbeiten", wie sie sagt. Man erfährt eine Menge, überwiegend Belangloses. Zum Beispiel, dass ihr Heim in Mülheim für Außenstehende tabu ist. "Da ich keinen bei mir reinlasse", empfange sie Reporter auch schon mal in ihrem Parteibüro. Das sei "klein, aber mein", sagt sie beim Kameraschwenk. In der Landesvertretung in Berlin, so erfährt man weiter, kann sie übernachten - und "leider muss ich das auch oft nutzen".

Kraft führt uns durch den Hintereingang ins Bundesratsgebäude, weil's schneller geht und sie dort gleich eine Rede halten muss. Und das alles mit leerem Magen: "Frühstück hab' ich nicht geschafft." Man sieht die Regierungschefin auch immer wieder im Fond ihres gepanzerten Dienstwagens - etwa auf dem Weg nach Münster zum Kramermahl. "Ich bin schon aufgehübscht für heute Abend, weil das ist 'ne Abendveranstaltung mit elegant und so", ruft sie uns im Ruhrpott-Deutsch zu. Gegen 23.15 Uhr meldet sie sich nochmals: "Es war 'ne tolle Veranstaltung."

Manchmal, so berichtet sie, ziehe sie sich im Auto um ("Der Fahrer ist rausgegangen, klar"). Und gelegentlich quält sie der Hunger: "Ich hoffe, dass wir jetzt ordentlich was zwischen die Zähne kriegen."

Kein Zweifel: Hannelore Kraft gibt sich volksnah, redet gerade so, wie es ihr in den Sinn kommt. Jedenfalls wirkt es so. Irgendwie beschleicht einen derweil das Gefühl, dass ihre Video-Offensive der Versuch ist, ihr angekratztes Image als "Kümmerin" aufzupolieren. Zuletzt ist ihr oft vorgehalten worden, zu spät auf die Übergriffe in der Silvesternacht in Köln reagiert zu haben. Vermutlich will Kraft mit ihrem Video-Tagebuch demonstrieren: "Ich bin irgendwie immer auffe Arbeit." Sie sagt aber auch: "Ich klage nicht, jammere auch nicht. Ich bekomme viel Geld für den Job." Es gebe, so versichert sie, "keine schönere Tätigkeit, die ich mir vorstellen kann, auch wenn ich manchmal tief verzweifelt bin".

Doch was will sie uns noch zeigen? Inzwischen wissen (und sehen) wir ja, dass die 54-jährige SPD-Politikerin mitunter übermüdet ist, quasi nebenbei Reden schreibt und in ihrer Staatskanzlei Bürgerpost beantwortet. Viel geschnitten werde an ihren Videos nicht, versichert Kraft - und man glaubt es ihr angesichts der Wackelbilder sofort. Gleichwohl werden Kraft-Fans frei nach Loriot nach jedem Vlog frohlocken: "Hannelore, wir danken dir."

Ihre Meinung? Schreiben Sie unserem Autor: kolumne@rheinische-post.de

(RP)
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