Kolumne: Hier In Nrw Im Ernstfall soll es Jod sein

In den belgischen Atomkraftwerken kommt es immer wieder zu Störfällen. NRW nimmt die Sorgen der Menschen ernst und schafft jetzt massenhaft Jodtabletten an. Was können sie bewirken – und was nicht?

Kolumne: Hier In Nrw: Im Ernstfall soll es Jod sein
Foto: Hüwel

In den belgischen Atomkraftwerken kommt es immer wieder zu Störfällen. NRW nimmt die Sorgen der Menschen ernst und schafft jetzt massenhaft Jodtabletten an. Was können sie bewirken — und was nicht?

NRW trifft Vorsorge für eine Reaktorkatastrophe: Das Land will 20 Millionen Jodtabletten kaufen, die im Ernstfall an die Bevölkerung ausgegeben werden. Die Aktion kommt nicht aus heiterem Himmel; NRW schaut schon lange sorgenvoll nach Belgien. An zwei Standorten — Doel und Tihange — befinden sich alte Atomkraftwerke (AKW), bei denen es wiederholt zu Störfällen gekommen ist. Mehrfach wurde die belgische Regierung aufgefordert, die "Bröckel-Reaktoren" (so NRW-Umweltminister Johannes Remmel) vom Netz zu nehmen. Jetzt liegt dazu auch eine Klage der Stadt Aachen vor, der sich die rot-grüne Landesregierung angeschlossen hat. Ob sich Belgien davon beeindrucken lässt, wird sich zeigen. Bislang pocht es darauf, dass seine AKW sicher seien.

Darauf mag sich NRW vernünftigerweise nicht verlassen, sondern weitet sein Jodtabletten-Programm flächendeckend aus. Demnach werden die Pillen im Herbst den Kommunen ausgehändigt, die sie im Ernstfall weiterverteilen. Gemäß den Empfehlungen der Strahlenschutz-Kommission sind sie für Schwangere, Stillende und Minderjährige gedacht, die mehr als 100 Kilometer von einem AKW entfernt leben. Darüber hinaus bekommen auch Menschen bis 45 Jahre die Tabletten, wenn sie in einem Umkreis bis zu 100 Kilometern wohnen. Dies gilt etwa für die Aachener, die rund 70 Kilometer von Tihange entfernt sind. Noch enger dran sind die Bewohner an der Grenze zu Niedersachsen mit den dortigen Reaktoren Grohnde und Emsland.

Die Begrenzung auf 45 Jahre klingt nach Altersdiskriminierung, doch dem sei keineswegs so, versichert das Düsseldorfer Innenministerium. Vielmehr habe ein Erwachsener mit 45 Jahren bereits so viel Jod in seiner Schilddrüse gespeichert, dass die Tabletten nicht benötigt würden und womöglich sogar schädlich wären. Bei Minderjährigen könnte sich hingegen radioaktives Jod aus dem Unglücksreaktor in der Schilddrüse festsetzen und Krebs verursachen. Die in Wasser aufzulösenden Tabletten verhindern das Einlagern in der Schilddrüse - die sogenannte Jodblockade.

Die Frage ist aber, ob die Tabletten im Ernstfall rechtzeitig ausgegeben werden können. Andere Länder haben sie vorsichtshalber direkt an die Einwohner verteilt, um ein Chaos bei der Austeilung zu verhindern. NRW will das nicht, obwohl die Bürgermeister und Landräte vor Ort dringend dazu raten.

Kernkraftgegner verweisen allerdings darauf, dass Jodtabletten eine Reaktorkatastrophe nicht verhindern könnten. Für sie steht außer Frage, dass aus Sicherheitsgründen die AKW abgeschaltet werden müssen, und zwar nicht nur in Belgien.

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(RP)
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