Kolumne: Mit Verlaub! Ein Hoch auf Deutschlands Paradebranche

Im Wahlkampf wächst die törichte Lust zu vieler Politiker, die durch Fehler Einzelner ins Gerede gekommene Autobranche pauschal zu verunglimpfen.

Es ist schick geworden, die deutschen Autobauer zu schmähen. Nicht alle, aber zu viele Politiker - nicht nur Titanen wie Anton Hofreiter oder Kathrin Göring-Eckardt - machen Wahlkampf damit. Man fragt sich entgeistert: Wie töricht sind wir in Deutschland eigentlich, dass manche glauben, eine unserer verbliebenen Vorzeige-Industrien mal als betrügerisch, dann als fortschrittsvergessen oder sogar als umweltvergiftend und sowieso gestrig darstellen zu können? Sie wissen anscheinend nicht, was sie tun. Oder doch?

Ähnlich wie unsere Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen vor wenigen Wochen eklige Einzelvorkommnisse beim Militär zum Anlass nahm, die Bundeswehr insgesamt in Misskredit zu bringen (wenigstens hat sie ihre Torheit inzwischen eingesehen und korrigiert), so verrühren derzeit politisch Verantwortliche alles in einem Schmutz-Topf, was sie an fixen Urteilen und peinlichen Vorurteilen über die Automobilbranche erhaschen können. So schaden sie einer deutschen Paradeindustrie, deren mittelständischen Zulieferern und millionenfach den Menschen, die dort abhängig beschäftigt sind.

Im konkurrierenden Ausland wird man wieder einmal über die seltsamen Deutschen schmunzeln, die in der Disziplin Selbstgeißelung geborene Goldmedaillenanwärter sind. Bei der japanischen Weltfirma Toyota, die seit Jahren mit unserer Volkswagen AG um die Krone des global aktiven Auto-Absatz-Champions kämpft, oder bei General Motors in den Vereinigten Staaten schmunzeln sie nicht nur, nein, sie feixen wohl auch darüber, wie der beim Manipulieren erwischte große Mitbewerber VW Milliarden Euro durch notwendige Schadensersatz-Leistungen und obendrein Kundenvertrauen verliert. Außerdem wird die ausländische Konkurrenz staunen, dass kaum jemand im Heimatland von Volkswagen, Audi, Porsche dem Versagen Einzelner das Können einer doch im Ganzen nach wie vor großartig tüchtigen und innovativen Branche entgegenstellt.

Man schaue nach China, nach Nord- und Südamerika, auf unseren alten Kontinent Europa - kaum ein Verbraucher bestreitet die Qualität deutscher Kraftfahrzeuge. Sie alle stammen von Unternehmen, deren Führungen nun von Wahlkämpfern herablassend als Versager hingestellt werden, die tarnen und täuschen und die Zukunft verschlafen.

Nähmen sich doch die Besserwisser in der Politik nur einen Bruchteil jener Zeit zum Nachdenken, die in der deutschen Automobilindustrie Jahr um Jahr für Forschung und Entwicklung aufgewendet wird.

Ihre Meinung? Schreiben Sie unserem Autor: "kolumne@rheinische-post.de"

(RP)
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