Kolumne Mit Verlaub! Ein Ruck muss durch Europa gehen

Düsseldorf · Wer belebt endlich die große europäische Idee von Neuem? Das Frühjahr 2017 bietet eine Chance.

Kolumne Mit Verlaub!: Ein Ruck muss durch Europa gehen
Foto: Michels

Immer wieder und drängender die Frage: Was wird aus Europa? Ist es nur noch ein liebenswertes Völkermuseum mit wohlgenährten, nicht mehr zukunftshungrigen Menschen, die es sich im Hier und Jetzt noch ein Weilchen gut gehen lassen? Beschleicht auch Sie das Gefühl, dass wir Europäer, wenn wir "unsere Werte" proklamieren, bloß hoch und heilig tun und künstlich erregt wirken? Haben nicht die Skeptiker recht, die in Europa Anzeichen für Erschlaffung erkennen? Würden wir für unsere sonntags beschworenen Werte auch montags in den Kampf ziehen? Ist nicht die weiße Fahne das eigentliche Erkennungs- und Ergebenheitstuch der Europäer?

In seinem kecken Buch "Weltgeschichte to go" schreibt Alexander von Schönburg, schon das Wort "Europäer" bedeute eine Irreführung: Europa sei kein Kontinent, bloß eine Idee, die seit zwei Jahrtausenden gesponnen werde. Europa sei geologisch eben nur der Ausläufer einer riesigen Kontinentalplatte, die wir Asien nennen. Dazu ließe sich anmerken: Dann ist Europa eben bloß eine Idee. Ich behaupte: Und was für eine! Als der Europäer und Franzose François Mitterrand den Kampf um den Elysée-Palast aufnahm, tat er das unter anderem mit dem Slogan "Une certaine idée de la France". Zu fragen wäre: Welche "ganz bestimmte Idee" haben wir Europäer von Europa?

Schönburg verweist auf die großen zivilisatorischen Leistungen der Menschen auf diesem Wurmfortsatz der asiatischen Kontinentalplatte. Wir Europäer haben das Leben sämtlicher Menschen auf dem Globus beeinflusst, verändert, auch zum Schlechten, aber sehr viel häufiger zum Guten.

Nun tragen alle Groß-Zivilisationen den Keim des Niedergangs in sich. Was aber nicht heißen darf, dass sich die Europäer gegen diese historische Konstante nicht wehren können. Wir sollten uns öfter an einen der größten Staatsmänner der europäischen Geschichte, an Winston Churchill und dessen Widerstands-Credo gegen Europas Beinahevernichter Adolf Hitler erinnern: "We shall never surrender" ("Wir werden uns niemals geschlagen geben").

In Kürze feiert das politische Europa seinen sechzigsten Geburtstag an dem Ort, wo am 25. März 1957 mit den Römischen Verträgen alles begann. Bundeskanzler Konrad Adenauer, der noch "eine ganz bestimmte Idee von Europa" hatte, sagte damals auf dem Kapitol in Rom, Europa hätte keinen würdigeren Rahmen finden können als in dieser ehrwürdigen Stadt.

Ginge doch 2017 von Rom noch einmal so wie 1957 ein Ruck durch die Völker Europas.

Ihre Meinung? Schreiben Sie unserem Autor: kolumne@rheinische-post.de

(mc)
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