Kolumne: Mit Verlaub! Entspannungspolitik statt Aufrüstung

Europas Staatslenker machen zu tiefe Bücklinge vor dem Wunsch Donald Trumps und seiner Ideologen nach Aufstockung der Waffenarsenale.

Dies schrieb kein Linker, sondern der konservative Freigeist Peter Gauweiler (CSU) vor Wochen in der "FAZ": "Warum ist der politische Ertrag des Westens seit der großen Befreiung von 1989 so enttäuschend? Das hängt unter anderem damit zusammen, dass der europäisch-amerikanische Spirit mit Beginn der 90er Jahre gekippt ist: Für ,unsere Werte' bombardierte der Westen islamische Länder und tötete zahllose Menschen wie Fliegen, mit Drohnen, aus sicherer Entfernung."

Der Anwalt, Politiker und Intellektuelle aus München greift zu bitterböser Ironie, wenn er an die geschätzt bis zu 100.000 Kriegsopfer in Afghanistan und die annähernd 180.000 getöteten Kinder, Frauen und Männer im Irakkrieg erinnert und mit Blick auf die 2992 Todesopfer des Terrors vom 11. September von einem "Vergeltungsexzess" spricht. Und was haben Europas Staatenlenker getan, als "unsere Werte" mit derart überschießender Kriegsbereitschaft verteidigt wurden? Nun gut, Bundeskanzler Gerhard Schröder widerstand 2003 der "Führungsmacht des Westens", als es um den Überfall auf den Irak ging. Ansonsten jedoch großes Einvernehmen im Kriegseinsatz für "unsere Werte".

Diese werden jetzt auffällig beschworen, wenn der "Schreckensclown im Weißen Haus" (Künstler Claus Peymann), unter Anfeuerungsrufen seines Chefideologen Stephen Bannon nach Kriegsbeilen graben lässt und im westlichen Bündnis starke Aufrüstung proklamiert. Anstatt darüber nachzudenken, ob die Verabredung der NATO-Staaten, deutlich mehr für Rüstung auszugeben, vielleicht falsch war und weltpolitisch gar brandgefährlich, sieht man diverse europäische Staatsmänner und -frauen den Knicks bzw. Diener vor dem US-Präsidenten machen. In der Politik werden so viele Zusagen nicht eingehalten: Warum sollte man sich ausgerechnet beim Aufrüsten penibel wie ein Oberfinanzinspektor verhalten?

Der Historiker und Publizist Michael Stürmer nennt den weltpolitische Status quo hochgefährlich. Wir brauchen keine europäischen Erfüllungsgehilfen des außenpolitisch aggressiv-unreif erscheinenden Donald Trump und erst recht keine Aufrüstungs-Euphorie. Den international operierenden Terrorismus als gefährlichsten Feind "unserer Werte" wird man ja wohl mit den schon jetzt bis zum Bersten gefüllten Waffenarsenalen vernichten können. Russland, USA und Europa müssen sich dazu auf Geschlossenheit verständigen. Das wiederum erfordert eine neue Entspannungspolitik zwischen Westen und Osten.

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(RP)
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