Mit Verlaub! Bundespräsident ohne Inspiration

Frank-Walter Steinmeier ist seit vier Monaten Staatsoberhaupt. Was er öffentlich von sich gibt, klingt fad und oft auch bloß nachplappernd.

Mit Verlaub: Bundespräsident ohne Inspiration
Foto: Michels

Vielleicht sind Sie, verehrte Leserinnen und Leser, gnädiger als ich beim Urteil über die bisherige Amtsführung des Bundespräsidenten Frank-Walter Steinmeier. Ich meine, dass Steinmeier nach vier Monaten im höchsten Staatsamt zu unauffällig, ja, politisch weitgehend zu konturenlos geblieben ist. Stellen Sie sich für einen Moment vor, wir hätten gegenwärtig niemanden in Schloß Bellevue, würden Sie wirklich etwas vermissen?

Es gibt bislang keine öffentliche Rede Steinmeiers, mit der er mehr als höfliche Aufmerksamkeit erregt hätte. Er langweilt. Seine wenigen Stellungnahmen verdunsten noch in dem Raum, in dem sie gesprochen wurden. Zu den großen politischen Themen der Zeit äußert sich der sogenannte erste Bürger des Staates eher zeitverzögert und dann auch so wenig akzentuiert, als sei er bei einem Sektempfang des Diplomatischen Corps. Der frühere Bundeskanzler Willy Brandt spottete einmal über das "kräftige Sowohl als auch" eines politischen Gegners, das er soeben gehört habe.

Steinmeier ist das personifizierte Sowohl-als-auch: Über die USA unter Präsident Donald Trump zeigt er sich "irritiert", zugleich warnt er seine Landsleute vor Überheblichkeit gegenüber Amerika, dem Deutschland nach 1945 Demokratie und wirtschaftliche Aufwärtsentwicklung (Marshallplan) verdanke. Alles richtig, aber bereits hundertmal so oder ähnlich gehört und gelesen.

Bei der Frage, ob und wie Berlin auf die jüngsten Zumutungen der türkischen Führung reagieren solle, wieder ein völlig überraschungsfrei redender Bundespräsident: Er stellte sich — wen wundert's? — hinter die Linie seines forsch agierenden Parteifreundes, des Außenministers Sigmar Gabriel, und dessen "deutliche Haltesignale" gegen Erdogan. Es klingt stets nach Nachplappern; das Inspirierende, Originelle scheint Steinmeiers Sache nicht zu sein. Es heißt, der spröde Mann suche oft die Nähe zu Künstlern und Intellektuellen. Ja, zum Donnerwetter, warum merkt man ihm das nicht an? Nichts ist falsch bei dem, was er von sich gibt, aber das Meiste wirkt erschreckend fad.

Steinmeiers Vorgänger Joachim Gauck war ein Meister der öffentlichen Rede. Zur gewaltigen Integrationsaufgabe der fast einer Millionen nach Deutschland gekommenen Flüchtlinge seit Herbst 2015 formulierte Gauck grandios griffig den Satz: "Unser Herz ist weit, aber unsere Möglichkeiten sind endlich." Steinmeier redete von einer "Riesenaufgabe, die uns noch Jahrzehnte in Anspruch nehmen wird". Wie erwartet von der "Kellerei Steinmeier": Alter Wein, nicht einmal in neuen Schläuchen.

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