Mit Verlaub! Keine Freiheit ohne Sicherheit

Angesichts der zunehmenden Gewalt gegen Polizisten könnte es sein, dass die Laisser-faire-Liberalen bei Fragen der inneren Sicherheit immer mehr in die Defensive geraten. Das wäre gut so.

Mit Verlaub!: Keine Freiheit ohne Sicherheit
Foto: Michels

Wird die Polizei vom Staat im Stich gelassen? So fragte vor Kurzem eine Sonntagszeitung. Kommt Ihnen das nicht auch absurd vor, weil doch die Polizei als Teil der vollziehenden Gewalt selbst Staatsmacht verkörpert? Was widersinnig klingt, ist es in Wirklichkeit nicht, denn der "Bild am Sonntag"-Artikel, welcher der Überschrift folgte, begann so: "Sie wollen einen Elfjährigen überprüfen, der mehrfach den Motor eines Autos startet. Eine Kleinigkeit. Sollte man meinen. Minuten später werden die zehn Polizisten in Berlin von 70 Mitgliedern einer Großfamilie umringt. Schreie, Gerangel, Pfefferspray, Festnahmen."

Für Polizei-Gewerkschafter Rainer Wendt, der für Klarheit in Fragen der inneren Sicherheit bekannt ist, belegt die Szene, was mittlerweile selbst die liberalsten Laisser-faire- Apostel der deutschen Innenpolitik zu begreifen beginnen: Es gibt zu wenige Polizeibeamte, zu wenig Kontrolle und ganz besonders: zu wenig Respekt vor der Staatsmacht in Uniform.

Ja, man kann es so zuspitzen, wie es Wendt tut: In Deutschland fühlen sich Kriminelle jeder Couleur wohl. Weitgehend wohler jedenfalls als Polizeibeamte, die mancherorts in heruntergekommenen Großstadt-Quartieren erleichtert sind, wenn sie einen Einsatz mit heiler Haut hinter sich gebracht haben.

Als sich nach dem Wahlsieg Donald Trumps abzeichnete, dass Rudolph "Rudy" Giuliani im künftigen US-Kabinett ein klassisches Ressort, entweder fürs Innere, die Justiz oder als Außenminister übernehmen wird, konnte man die liberalen Laisser-faire-Apostel förmlich stöhnen hören: "O Gott, das ist doch der harte Hund, der von 1994 bis kurz nach den Terroranschlägen von 2001 als Bürgermeister von New York City Null-Toleranz gegen jede Form von Rechtsbruch auf seine Fahne schrieb."

Und die Riesenstadt auch noch auf illiberale Weise sicherer machte. Was die Laisser-faire-Apostel nie glaubten: In der Amtszeit des gelernten Staatsanwalts Giuliani wurde New York nicht etwa zum gemiedenen Hort der Repression, sondern im Gegenteil für Besucher aus aller Welt zu einem noch attraktiveren Magneten. Was belegt: Sicherheit und Freiheit sind zwei Seiten einer Medaille.

Otto Schily, Bundesinnenminister von 1998 bis 2005, zitierte das bei vielen Gelegenheiten. Ob es seinen Zuhörern passte oder nicht. Nie werde ich die verstörten, teilweise entsetzten Mienen der Delegierten eines SPD-Parteitages vergessen, als Schily ihnen zurief: "Law and Order sind sozialdemokratische Werte." Heute erhielte Schily dafür wohl allerorten sehr viel breitere Zustimmung.

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(RP)
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