Kolumne: Politisch Inkorrekt Sicherheit ist der Preis der Freiheit

In einem demokratischen Rechtsstaat verliert man schon mal aus den Augen, dass dieser Zustand nicht selbstverständlich ist. Und manchmal wachsen Zweifel an der Fähigkeit des Staates, unsere Freiheit dauerhaft zu sichern.

Die Bundesregierung hat vor einigen Tagen ein neues Kapitel in der Geschichte der effektiven Spionageabwehr aufgeschlagen. In einem Brief an die hiesigen Botschaften praktisch aller Länder der Welt wird höflich darum gebeten, die Namen sämtlicher dort stationierter Geheimagenten mitzuteilen, die in Deutschland illegal Nachrichtenbeschaffung betreiben. Auf so etwas muss man erst einmal kommen. Ich bin sicher, die Residenten des russischen FSB, der amerikanischen CIA oder die nordkoreanischen Schlapphüte in Berlin haben über diese Aktion herzlich gelacht.

Wenn es dennoch ein Erfolg werden sollte, könnte unsere Regierung als Nächstes vielleicht Briefe an die Mafia mit der Bitte schreiben, die Namen und Aufenthaltsorte sämtlicher Mörder und Schläger mitzuteilen, eventuell ergänzt um alle Schwarzgeldkonten und Waffenlager. Toll wäre auch ein Brief "Liebe Terroristen, bitte teilen Sie uns auf beigefügtem Formular mit, wo Sie Ihre Bomben bauen und auf dem Hoheitsgebiet der Bundesrepublik zum Einsatz zu bringen gedenken."

Fast könnte man über diese Hilflosigkeit mitlachen, wenn sie nicht die traurige Erkenntnis wachsen ließe, dass dieses Land zunehmend unfähig, vielleicht aber auch unwillig geworden ist, Sicherheit zu schaffen und durchzusetzen. Wir alle erinnern uns an das demütige Getue, nachdem bekannt geworden war, dass die amerikanische NSA das Handy der Bundeskanzlerin abgehört hatte. Schlimm genug, dass die Spionageabwehr nicht in der Lage war, das zu verhindern. Aber dann die Bittprozessionen nach Washington mit dem zarten Appell, das doch nicht mehr zu tun und überhaupt nicht mehr hier zu spionieren. Das macht den Betrachter atemlos.

Man könnte hier den Bogen schlagen zu einem Prozess, der gerade in Würzburg begonnen hat. Der Autobahnschütze sitzt auf der Anklagebank, der über Jahre 700 Mal auf andere Fahrzeuge geschossen hat, Personenschaden inklusive. Als die Polizei sicher war, der Täter müsse Lkw-Fahrer sein, bat sie darum, die Daten der Mauterfassung einsehen zu dürfen. Das wurde abgelehnt wegen Datenschutzes. Dann musste die Polizei mit Zeitverzögerung und viel Geld ein eigenes Erfassungssystem aufstellen - das zum Fahndungserfolg führte. Was sollte diese Verzögerung? Wem hat das genützt, außer dem gemeingefährlichen Schützen?

Allen, die immer gern lautstark unsere Freiheit vor "dem Staat" und den Sicherheitsbehörden schützen wollen, sei gesagt, dass es diese Freiheit ohne Sicherheit gar nicht geben würde. Und Sicherheit erhält man nicht durch Leisetreterei und Briefeschreiben.

Ihre Meinung? Schreiben Sie unserem Autor: kolumne@rheinische-post.de

(RP)
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