Total Digital Seltener "Fake News" sagen

Wenn Donald Trump Reporter mit "Sie sind Fake News" beschimpft, dann meint er damit Berichterstattung, die einfach nicht in sein Weltbild passt. Daher wird "Fake News" zum politischen Kampfbegriff.

Total digital: Seltener "Fake News" sagen
Foto: Fiene

Diese eine Fahrt mit dem Carsharing-Dienst Uber werde ich nicht vergessen. Eine kuriose Begebenheit vor einem Jahr in einer durchschnittlichen amerikanischen Stadt, fest in republikanischer Hand. Der redselige Fahrer wurde nachdenklich, als er an meinem Akzent meine Herkunft erkannte.

Er habe Jahre auf Hawaii und in Deutschland gelebt. Lange arbeitete er für einen Geheimdienst. Er fragte mich, ob ich mir als Journalist Sorgen mache. Er habe Angst vor einem Informationskrieg mit Russland, einem "Fake News War". Ein Problem nicht nur für die USA, sondern auch für uns Deutsche. Heute wissen wir: Mein Fahrer hatte recht. Auch wenn er seine Geheimdienst-Tätigkeit nur erfunden hat.

Internetseite verbreiten bewusst falsche Informationen

Der Krieg um falsche Nachrichten ist im vollen Gange. Vor ein paar Tagen haben Daten-Analysten von Buzzfeed eine Auswertung der meistgeteilten englischen und deutschen Artikel über Angela Merkel veröffentlicht. Das Ergebnis ist erschreckend: Die meistgeteilten Artikel liefern falsche oder irreführende Nachrichten über die Bundeskanzlerin. Oft stammen sie von Seiten, die für Verschwörungstheorien oder Propaganda bekannt sind.

Ein Artikel über ein angebliches Selfie mit Merkel und einem Brüssel-Terroristen ist mehr als 32.000 Mal geteilt worden. Die Originalmeldung der Deutschen Welle, dass Merkel ein Selfie mit einem Flüchtling gemacht hat, ist nur 13.000 Mal geteilt worden. Auch Falschmeldungen über mentale Zusammenbrüche der Kanzlerin stehen hoch im Kurs. Absender dieser "Fake News" sind populistische Websites, die in den vergangenen zwei Jahren entstanden sind, und interessanterweise die britische Boulevardpresse.

Eine Debatte über "Fake News" ist nötig, allerdings halte ich den Begriff für unbrauchbar. Populistische US-Websites wie "Breitbart News", die vor der Bundestagswahl einen deutschen Ableger starten wollen, verwenden diesen Ausdruck inflationär, so dass die Bedeutung verwischt. Jeder unabsichtliche Fehler wird zur "Fake News". Wenn Donald Trump, wie bei seiner Pressekonferenz vor der Amtseinführung, CNN-Reporter mit "Sie sind Fake News" beschimpft, dann meint er damit keine echte Propaganda, sondern Berichterstattung, die einfach nicht in sein Weltbild passt.

Dieses Verhalten wird unabsichtlich von vielen übernommen. Als in der vergangenen Woche Medien wie "Spiegel Online" oder "Zeit Online", per Eilmeldung verbreiteten, dass das Bundesverfassungsgericht ein NPD-Verbot aussprach, haben viele Leser und Kritiker diesen Fehler hämisch mit dem Modebegriff "Fake News" verziert. Das ist nicht nur unreflektiert, sondern auch gefährlich. Ernsthafte Debatten über das Problem Propaganda sind so nicht möglich.

Schreiben Sie unserem Autor: kolumne@rheinische-post.de

(dafi)
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