Maßnahmen für bessere Luft in Städten Bund will Nahverkehr zum Nulltarif

Berlin · In einem Schreiben an die EU-Kommission schlägt die Bundesregierung unentgeltliche Angebote im ÖPNV vor. Das soll die Luftqualität in den Städten verbessern. Bonn und Essen sollen Teststädte werden. Kritik kommt ausgerechnet von den Grünen.

 Ein Bus fährt in Essen über die Straße (Symbolbild).

Ein Bus fährt in Essen über die Straße (Symbolbild).

Foto: dpa, mku pil

Die Gratis-Angebote im öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) sollen Fahrverbote und eine drohende hohe Geldstrafe der EU wegen zu schlechter Luft in vielen deutschen Städten verhindern. "Zusammen mit Ländern und der örtlichen Ebene erörtern wir einen kostenlosen ÖPNV, um die Zahl privater Autos zu reduzieren", heißt es in dem Brief der amtierenden Minister für Umwelt, Verkehr und Kanzleramt, Barbara Hendricks (SPD), Christian Schmidt (CSU) und Peter Altmaier (CDU), an EU-Umweltkommissar Karmenu Vella. Der Kampf gegen Luftverschmutzung habe für Berlin "höchste Priorität", schreiben die Minister.

Deutschland gehört neben acht anderen EU-Ländern zu den Staaten, denen die Brüsseler Kommission mit einer Klage vor dem Europäischen Gerichtshof droht, weil die zulässigen Grenzwerte für Stickoxide seit Jahren überschritten werden. Die Folge davon könnte eine Geldbuße sein, die auf Milliardenhöhe wachsen kann, wenn das Problem nicht rasch behoben wird.

Hendricks hatte unlängst in Brüssel einräumen müssen, dass die Grenzwerte in 20 deutschen Städten trotz aller Anstrengungen noch bis 2020 nicht eingehalten würden. Schuld daran sind zum größten Teil Dieselautos. Wegen der schlechten Luft will die Deutsche Umwelthilfe Fahrverbote für Dieselautos in besonders betroffenen Städten wie Köln, Düsseldorf, Stuttgart, München, Hamburg oder Berlin durchsetzen. Dazu wird am 22. Februar ein wegweisendes Urteil des Bundesverwaltungsgerichts erwartet.

Der Vorschlag des Nulltarifs im Nahverkehr gelte im Prinzip für alle Städte mit Problemen bei der Luftqualität, hieß es in Regierungskreisen. Positive Wirkungen seien allerdings erst mittelfristig zu erwarten, da die Voraussetzungen örtlich erst geschaffen werden müssten.

Davon unabhängig will die Bundesregierung innovative Maßnahmen zur Luftreinhaltung in den fünf Modellstädten Bonn, Essen (beide NRW), Herrenberg, Reutlingen und Mannheim (alle Baden-Württemberg) testen. Dazu gehörten etwa die geförderte Umstellung von Bussen und Taxis vom Diesel- auf Elektroantrieb oder Fahrverbotszonen für den Schwerlastverkehr, heißt es in dem Schreiben der drei Minister vom 11. Februar.

"Der Deutsche Städtetag ist überrascht über die Ankündigung der Bundesregierung, dass gemeinsam mit Ländern und Kommunen überlegt werde, den öffentlichen Nahverkehr in Zukunft kostenlos anzubieten, um die Zahl privater Fahrzeuge zu reduzieren", erklärte Städtetags-Hauptgeschäftsführer Helmut Dedy.

Die Idee, Tickets im Nahverkehr günstiger zu machen, gebe es schon in einigen Städten. "Wer kostengünstigen Nahverkehr will, muss das aber auch finanzieren können. Das gilt erst recht für kostenlosen Nahverkehr. Wenn also der Bund jetzt den Vorschlag macht, über solche Wege nachzudenken, erwarten wir eine klare Aussage, wie das finanziert werden soll." Wer eine Leistung veranlasse, müsse für ihre Finanzierung aufkommen. Diese Zusage im Koalitionsvertrag müsse uneingeschränkt gelten.

"Die Verzweiflung in der Bundesregierung muss groß sein, wenn gleich drei Minister auf Abruf mit solchem Aktionismus versuchen, die EU-Kommission zu besänftigen", sagte Grünen-Fraktionsvize Oliver Krischer. Im Koalitionsvertrag seien die Pläne mit keinem Wort erwähnt. "Wer ernsthaft die Luft in unseren Städten schnell sauber machen will, der sorgt für die Nachrüstung von Millionen Pkw auf Kosten der Hersteller und führt die Blaue Plakette ein", sagte er unserer Redaktion.

(mar)
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