S21-Gegner demonstrieren in Stuttgart Kretschmann mit Schuhen beworfen

Stuttgart · Vor Beginn des Neujahrsempfangs ist dem baden-württembergischen Ministerpräsidenten Winfried Kretschmann der geballte Ärger von Gegnern des Bahnprojekts "Stuttgart 21" entgegen geschlagen. Demonstranten warfen am Samstag mit Schuhen nach dem Grünen-Politiker, als dieser in Begleitung von Verkehrsminister Winfried Hermann (Grüne) aus dem Neuen Schloss zu ihnen kam.

 Gegner des Bahnhofsprojektes "Stuttgart 21" demonstrieren gegen den Ministerpräsidenten Winfried Kretschmann, indem sie Schuhe nach ihm warfen.

Gegner des Bahnhofsprojektes "Stuttgart 21" demonstrieren gegen den Ministerpräsidenten Winfried Kretschmann, indem sie Schuhe nach ihm warfen.

Foto: dpa, Bernd Weissbrod

Ein blauer Leinenschuh könnte nun zum Symbol des "Stuttgart 21-Widerstands" gegen Ministerpräsident Winfried Kretschmann werden. Ein solcher Espandrilles-Schlappen fliegt am Samstag plötzlich aus einem Block von "Stuttgart 21"-Demonstranten vor in Richtung des Grünen-Politikers und trifft einen seiner Bodyguards an der Nase. Auch ein anderer Schuh wird aus der Gegneransammlung geworfen, verfehlt aber ebenfalls den baden-württembergischen Regierungschef ebenfalls. So deutlich hat Kretschmann den Unmut der "Stuttgart 21"-Gegner noch nie zu spüren bekommen.

Im arabischen Raum steht das Hochhalten des Schuhs und der -sohle stellvertretend für Zorn und Verachtung. Vor einer Woche erst hatte auch Bundespräsident Christian Wulff Bekanntschaft mit dieser Sitte gemacht - als sich wütende Demonstranten vor dem Berliner Schloss Bellevue versammelt hatten, um seinen Rücktritt zu fordern.

Und nun Stuttgart. Mehr als 700 "S21"-Gegner harren vor dem Neuen Schloss aus, um den Regierungschef vor seinem Neujahrsempfang abzufangen: Trillergepfeife, "Verräter"- und "Kretschmann weg"-Rufe schallen ihm entgegen. Einige Projektgegner schwenken ihre Schuhe in der Luft. "Schaden abwenden und Abriss verhindern statt Sekt schlürfen, Herr Kretschmann!", halten sie ihm entgegen sowie Transparente mit den Worten "Nie wieder Grün".

Gespräch mit den "Schuh-Trägern"

Dieser ist zuvor offenbar durch einen Seiteneingang in das Schloss gelangt. Bevor er mit etwa 800 ehrenamtlichen Baden-Württembergern die Feierlichkeiten zum 60-jährigen Landesjubiläum einläutet, geht er dann doch noch in Begleitung seines Verkehrsministers Winfried Hermann (Grüne) zur Absperrung vor dem Schloss, um mit den Demonstranten, die auch Wähler sind, zu sprechen.

Die Überraschung über die Schuh-Attacke dürfte Kretschmann noch nicht ganz verdaut haben, und trotzdem redet der 63-Jährige mit den Demonstranten. Die Bevölkerung habe bei der Volksabstimmung entschieden und die Landesregierung sei an Recht und Gesetz gebunden, verteidigt er sich. Später will er den Schuh-Angriff relativieren: Es sei nur eine Stoffsandale gewesen. "Man sollte das nicht überbewerten."

Der Organisator der Demonstration und Sprecher der "Parkschützer", Matthias von Herrmann, zeigt sich hingegen alles andere als begeistert von der Schuh-Attacke: "Ich hätte das nicht gemacht. Ich finde das auch nicht gut." Die Aktion zeige jedoch, dass die Menschen sehr verärgert seien über Kretschmann. Sie erwarteten, dass er ebenso wie Polizeipräsident Thomas Züfle der Bahn auf die Finger schaue und den anstehenden Abriss des Südflügels verhindert. Hätte Züfle bei der Bahn nicht nachgefragt, wären die Bäume im Schlossgarten womöglich ohne rechtliche Genehmigung abgeholzt worden, ist von Herrmann überzeugt.

Kretschmann lobt vor seinen Gästen im Schloss den friedlichen und besonnenen Polizeieinsatz vom Freitag. So stelle er sich "eine funktionierende Demokratie" vor. Danach spricht der Ministerpräsident von einer neuen politischen Kultur. Dabei nimmt er häufig das Wort "Neuanfang" in den Mund. Dieser habe mit dem Regierungswechsel im vergangenen Jahr begonnen. Nun müsse es um einen neuen Anfang im Verhältnis zwischen Politik und Zivilgesellschaft gehen. Hier sei viel Vertrauen verloren gegangen, das zurückgewonnen werden müsste. Die Politik müsse den Bürgern stärker auf "Augenhöhe" begegnen. Die Landesregierung wolle die Bedingungen für eine Beteiligung der Bürger verbessern.

(APD)
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