Shitstorm gegen Ansgar Heveling Krieg der Welten

Düsseldorf · Wer sich den Zorn der Netzgemeinde zuzieht, hat nichts mehr zu lachen. CDU-Politiker Ansgar Heveling kann ein Lied davon singen. Dabei war sein netzkritischer Gastbeitrag offenkundig gar nicht so ernst gemeint. Dass nun das Internet über ihn herzieht, hat er vor allem seiner - gelinde gesagt - unglücklichen Wortwahl zu verdanken.

 Ansgar Heveling hat sich mit dem Internet angelegt.

Ansgar Heveling hat sich mit dem Internet angelegt.

Foto: dapd, CDU/CSU-Bundestagsfraktion

Ansgar Heveling ist bisher in der Bundespolitik nicht groß aufgefallen. Bis er der Netz-Gemeinde in einem Gastbeitrag für das Handelsblatt offensiv-provokant den Krieg erklärte. "Liebe 'Netzgemeinde', das Web 2.0 ist bald Geschichte", hieß es direkt zum Einstieg. Die Frage sei nur, "wie viel digitales Blut bis dahin vergossen wird".

Daraufhin brach ein Sturm los, der im Internet gemeinhin als Shitstorm bezeichnet wird. Über Twitter verspotteten User den Politiker, seine Website wurde gehackt, Parteikollegen distanzierten sich und selbst eine Ministerin wie Kristina Schröder äußerte sich süffisant-ironisch: "Stimmt, wir prüfen auch bereits Android-Version! Soll kommen solange es noch Internet gibt! :-)", heißt es in ihrem Tweet.

Er nutzt das Netz für seine Zwecke

Der Rechtsanwalt Heveling musste sich im Bundestag bislang mit dem Status eines Hinterbänklers begnügen. Im Parlament in Berlin vertritt er den Wahlkreis 111 Krefeld/Neuss. Er engagiert sich unter anderem im Rechtsausschuss wie auch der Enquete-Kommission Internet und digitale Gesellschaft. Das freilich ist nicht ohne Brisanz. Denn ebendiese Kommission befasst sich intensiv mit dem Internet und der Teilhabe daran.

Also sollte man getrost davon ausgehen können, dass Heveling kein Ahnungsloser ist, wenn es um die digitale Welt geht. Der Mann hat eine gut gepflegte Seite bei Facebook und besitzt eine eigene Website unter seinem Namen wie es sich mittlerweile für einen Bundestagsabgeordneten gehört. Auf sein Facebook-Angebot verlinkt der Politiker von dort aus allerdings nicht, Twitter sucht der Besucher seiner Seite vergebens. Ein Fan der Kommunikation im Netz scheint Heveling jedenfalls nicht zu sein.

Zwei Welten im Dauerkonflikt

Dass er das Internet kritisch beäugt, daraus hat er nie einen Hehl gemacht. Schon im August 2011 zeigte er sich in einem Interview mit unserer Redaktion besorgt über die Schwierigkeiten im Zusammenspiel von Recht und WorldWideWeb. Aus Hevelings Sicht stoßen dabei zwei Welten aufeinander: Das Recht und das Internet, das sich tendenziell im rechtsfreien Raum bewegt.

Im Interview sagte er damals: "Es gibt zwei gegenläufige Vorstellungen, wie mit dem Internet umzugehen ist. Manche Menschen betrachten das Netz als eine ganz eigene Welt, die von der realen abgegrenzt ist und die ihre eigene Ordnung hat. Mit dieser Einstellung tue ich mich sehr schwer. Für mich gibt es in Sachen Rechtsordnung keinen Unterschied zwischen der realen Welt und der digitalen."

Gut gegen Böse - Realität gegen digitale Welt

Man erkennt hierin unter anderem einen Politiker, der als Anwalt die Belange des nationalstaatlichen Rechts kennt, sich eingehend mit dem Urheberrecht befasst hat und den Problemen, mit denen es alltäglich im Web 2.0 konfrontiert wird. Texte, Bilder, Filme — in sozialen Netzwerken ist das Copyright nur noch ein Anachronismus. Heveling spricht hingegen von der Durchsetzung des Rechts, vom Schutz der Kreativen und des Urheberrechts.

In seinen Auslassungen im Handelsblatt wollte er offenkundig erneut in genau diese Kerbe hauen. Hier allerdings stilisiert er die Brüche innerhalb der digitalen Gesellschaft zu einer apokalyptischen Endzeit-Saga mit Anleihen beim Muster von Gut gegen Böse. Er diagnostiziert einen Kampf zwischen der "schönen neuen digitalen Welt und dem realen Leben". Dass für Milllionen Deutsche das Internet und das reale Leben inzwischen unauflöslich miteinander verwoben sind, ließ er dabei außer Acht.

"Eher feuilletonistisch"

Sein Gastbeitrag sei als durchaus provokante Streitschrift gemeint gewesen, erläutert Heveling am Dienstag auf Anfrage unserer Redaktion im Kurz-Interview. Aus seinen Beobachtungen der letzten Zeit habe er den Eindruck gewonnen, dass ein offener Diskurs über grundsätzliche Fragen von Freiheit, Eigentum und Demokratie im Internet nur schwer zu führen sei. Auf sachliche Kritik erfolge oft eine aggressive Reaktion. Dem habe er den Spiegel vorhalten wollen. Dass seine Internetseite gehackt wurde, interpretiert er als Bestätigung seiner Ansichten.

Der Beitrag sei "eher feuilletonistisch" angelegt. Damit versuchte der CDU-Politiker offenkundig verständlich zu machen, warum er für seinen Beitrag eine lachhaft martialische Wortwahl getroffen hat. Im "Handelsblatt" schwadronierte er über den "Abzug der digitalen Horden", "Schlachtennebel" oder "digitale Maoisten".

Das Gelände war bereits vermint

Dass ironische Beiträge in der Welt der Politik mitunter wenig hilfreich sind, wenn es um eine sachliche Debatte auf vermintem Terrain geht, hat er in seinem Eifer ignoriert. Verständlicher wurde sein Anliegen dadurch nicht, Aufmerksamkeit bekam er jedoch durch die Hebelwirkung des digitalen Skandals frei Haus. Sollte es Heveling tatsächlich um eine offene Diskussion über Freiheit, Eigentum und Demokratie gegangen sein, der Sache hat er einen Bärendienst erwiesen.

Vermint war das Gelände schon im Vorfeld. Am vergangenen Mittwoch hatte Heveling sich im Verbund mit seinem Parteifreund Günter Krings bereits aufgeschlossen für die in den USA diskutierten Netzsperren gezeigt. Dabei attackierte das Duo der CDU-Netzkritiker auch die Verfechter der Freiheit des Internets als Unterstützer von Kriminellen.

Wortwörtlich hieß es in der Pressemitteilung: "Es erstaunt, dass Wikipedia, Google, die Grünen und viele andere durch ihre Proteste gegen SOPA und PIPA auch geldgierigen Internetkriminellen wie dem Gründer von Megaupload beispringen. Sie verkennen, dass es bei der Durchsetzung des Urheberrechts nicht um Zensur geht, sondern einzig und allein darum, Kreative vor Ausbeutung zu schützen."

Auch die Piraten knöpfen sich Heveling vor

Nun sieht sich Heveling dem Vorwurf der Ahnungslosigkeit ausgesetzt. Für die These, dass das Web 2.0 seinem baldigen Ende entgegensteuert, hat Sebastian Nerz von der Piratenpartei nur Kopfschütteln übrig. "Heveling zeigt, dass große Teile der Regierung in völligem Unverständnis der heutigen Gesellschaft leben", konstatiert der Netz-Politiker. Der Rest ist abermals Spott: Er würde ihm dringend raten, sich einmal mit den technologischen Entwicklungen seit 1960 zu beschäftigen. Ernst nehmen könne man Heveling nicht. Nerz zeigte sich besorgt, dass Heveling "trotz offensichtlich völlig fehlendem Sachverstand" Mitglied der Enquete-Kommission Internet und digitale Gesellschaft ist.

Heveling zeigte sich jedoch auch am Dienstag weiter von seinen Ansichten überzeugt. Er glaube, dass mit dem Web 2.0 nicht das Ende der digitalen Entwicklung erreicht sei. Schon bald werde es Weiterentwicklungen geben, das Web 2.0 sei daher keine dauerhafte Lebenswelt.

"Ich nutze es ja selbst"

Dass ihm Spötter nachsagen, er habe bereits das Ende des Internets verkündet, weist er allerdings zurück. "Mir geht es nicht um das Medium Internet und seine fantastischen Möglichkeiten. Schließlich bin ich kein Gegner des Internets, ich nutze es ja selbst", erklärte er im Interview unserer Redaktion.

Eins aber fehlte in Hevelings Stellungnahme: Auf provokative Rhetorik verzichtete der Politiker, der nun eher den Eindruck macht, als wolle er Welten versöhnen und nicht die eine auslöschen. O-Ton: "Wenn wir deutlich machen, dass wir für ein solches Internet eintreten, in dem Freiheit und Eigentum als bürgerliche Werte genauso ausbalanciert sind, wie in der realen Welt, wird dies überzeugen."

Vielleicht findet in Deutschland doch noch die längst fällige Debatte über die Zukunft des Internets ihren Anfang.

(pst)
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