Schüler verletzt: Nach Messerangriff in Wuppertal – Anklage gegen 17-Jährigen
EILMELDUNG
Schüler verletzt: Nach Messerangriff in Wuppertal – Anklage gegen 17-Jährigen

Kampf um die Führung Lafontaine hinterlässt Chaos in der Linkspartei

Berlin · Der überraschende Rückzug von Oskar Lafontaine im Kampf um die Führung und die Ausrichtung der Linkspartei hat die desolate Lage der Linken noch verschlimmert. Beim Parteitag am 2. und 3. Juni wollen etliche Kandidaten für die Posten der zwei Parteichefs antreten.

Die Paukenschläge des Oskar Lafontaine
Infos

Die Paukenschläge des Oskar Lafontaine

Infos
Foto: dapd, Torsten Silz

Für viele Sozialdemokraten ist es ein Déja-vu-Erlebnis — das haben sie alles schon einmal gesehen: Oskar Lafontaine, der beleidigt die politische Bühne verlässt, zum Durcheinander eisern schweigt und doch nicht auf Nimmerwiedersehen verschwindet.

Nachdem Lafontaine am Dienstagnachmittag erklärt hat, nun doch nicht für den Parteivorsitz der Linken und auch nicht als Spitzenkandidat für die Bundestagswahl 2013 zur Verfügung zu stehen, "versinkt die Linkspartei im Chaos", wie es der Parlamentarische Geschäftsführer der SPD-Fraktion, Thomas Oppermann, genüsslich beschreibt. Die Riege der Bewerber um den Parteivorsitz wird immer unübersichtlicher — dagegen wirkt die Piratenpartei recht seriös.

"Tragische Figur"

Diejenigen, die Lafontaine seit vielen Jahren kennen, glauben nicht daran, dass er mit seinem Rückzug nun auch den Anspruch aufgibt, die Partei zu prägen. "Oskar Lafontaine ist eine tragische Figur in der deutschen Politik. Er ist ein Wiedergänger, der die Linke noch lange belasten wird", sagte der Sprecher der Parlamentarischen Linken der SPD im Bundestag, Ernst-Dieter Rossmann, unserer Zeitung. "Lafontaine setzt sein eigenes Ego über gemeinsame Interessen. Das wird bei ihm erst zu Ende sein, wenn er Privatier wird", sagte der Chef der NRW-Landesgruppe im Bundestag, Axel Schäfer.

Ausschlaggebend für Lafontaines Rückzug im Kampf um die Parteiführung war, dass sich Fraktionschef Gregor Gysi gegen ihn stellte. Gysi, der einst Lafontaine dafür gewonnen hatte, aus der ostdeutschen PDS und der westdeutschen WASG eine gesamtdeutsche Linke zu schmieden, sind Lafontaines Bedingungen für eine Rückkehr an die Parteispitze zu bunt geworden. Zumal immer mehr Genossen Lafontaines undemokratisches Gebaren kritisierten. Gysi wehrte sich vor allem gegen das Ansinnen Lafontaines, seine Lebensgefährtin Sahra Wagenknecht als gleichberechtigte Co-Fraktionschefin neben Gysi zu installieren.

Machtkampf tobt seit Wochen

Bei den Linken tobt seit Wochen ein Machtkampf um die Führung und die Ausrichtung der Partei. Der überraschende Rückzug von Lafontaine hat den radikalen Westlinken einen Dämpfer verpasst. Die Unterstützer von Lafontaines Kontrahenten, dem ostdeutschen Realpolitiker Dietmar Bartsch, konnten aber nur kurzzeitig frohlocken. Denn wenige Stunden später sickerte durch, dass zwei Genossinnen im Duo den Anspruch auf den Parteivorsitz erheben: Die stellvertretende Parteichefin Katja Kipping und die NRW-Landeschefin Katharina Schwabedissen wollen die Linke nun übernehmen. Prompt erhielten sie Unterstützung aus dem Lafontaine-Lager.

Schwabedissen will allerdings keine Doppelspitze mit Bundestagsfraktionsvize Dietmar Bartsch bilden. Das habe sie bereits vor einem halben Jahr ausgeschlossen, sagte die bei der NRW-Wahl gescheiterte Spitzenkandidatin am Donnerstag im ARD-"Morgenmagazin". Ihr gehe es darum, die Partei zusammenzuführen und "Schluss damit zu machen, dass die Pole aufeinanderprallen". Bartsch sei aber ein Vertreter eines von zwei Flügeln, die als polarisierend wahrgenommen werden, sagte sie.

Der Parteigründer Lafontaine schweigt seit seinem Rückzug beharrlich. Die Linken an der Saar gehen allerdings davon aus, dass ihr Fraktionschef weitermachen wird. Für seine Unterstützer bleibt er eine Lichtgestalt. Auch seine Lebensgefährtin, die einstige Wortführerin der Kommunisten in der Partei, Sahra Wagenknecht, stabilisiert parteiintern den Lafontaine-Flügel. Der noch amtierende Parteichef Klaus Ernst wirbt sogar für sie als Parteichefin.

Schadenftreunde bei der SPD

Die SPD kann ihre Schadenfreude angesichts des Chaos bei den Linken nicht verbergen. Sie hofft, von der Schwäche der Linken zu profitieren: "Alle Mitglieder der Linkspartei, die von den ständigen Personalstreitereien die Nase voll haben, sind in der SPD herzlich willkommen", wirbt Parlamentsgeschäftsführer Oppermann.

Lafontaine, der einstige SPD-Chef aus dem Saarland, galt bei den Sozialdemokraten immer als größtes Hindernis für ein mögliches Bündnis aus SPD und Linken. "Viele SPD-Spitzenfunktionäre können auf der persönlichen Ebene nicht mehr mit ihm zusammenarbeiten, weil sie ihn als Verräter ansehen", sagte der Parteienforscher Oskar Niedermayer. Der Wissenschaftler bezweifelt allerdings, dass mit dem Abgang Lafontaines nun ein rot-rot-grünes Bündnis im Bund möglich ist.

"SPD-Wähler sehen Linkspartei nicht als normale demokratische Partei"

"Ein nicht geringer Teil der SPD-Wähler, der Parteimitglieder und der Funktionäre sehen die Linkspartei nicht als normale demokratische Partei", betonte Niedermayer. Daher zögerten sie, auf eine Koalition mit den Linken zu setzen. Eine Option für künftige Bündnisse von SPD und Linken sieht Niedermayer nur dann, wenn sich bei den Linken inhaltlich die Linie um den Realpolitiker Dietmar Bartsch durchsetzt. "Die Linke müsste eine pragmatische Partei links von der SPD werden, die eindeutig mit ihrer Vergangenheit bricht und sich von undemokratischen Teilen der Partei distanziert." Nur dann könne es funktionieren.

Auch in der SPD halten viele Genossen eine von Bartsch geprägte Linke für einen möglichen Koalitionspartner. Öffentlich sagen möchte dies im Moment aber niemand. Vielmehr setzen die Sozialdemokraten darauf, dass sich die Linke weiter zerlegt und 2013 nicht mehr in den Bundestag einzieht.

Eine Reihe von Sozialdemokraten von allen Flügeln der Partei distanzierte sich gestern von einem rot-rot-grünen Bündnis auf Bundesebene. "Wir waren und sind der Auffassung, dass diese Partei nicht regierungsfähig ist", sagte der Sprecher des konservativen SPD-Flügels, Garrelt Duin, unserer Redaktion. Die inhaltlichen Schnittmengen seien minimal. Auch Axel Schäfer, Vertreter des linken SPD-Flügels, erklärte: "Ich sehe bei der großen Mehrheit der Linken auf Bundesebene weder Regierungsfähigkeit noch Regierungswillen."

(RP/felt/csi/jh-)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort