Landtagswahl in Mecklenburg-Vorpommern "Ein Armutszeugnis für Rügen"

Düsseldorf · Der gebürtige Düsseldorfer Boris Bergen, der auf Rügen lebt, ist bestürzt über das starke Abschneiden der AfD bei der Landtagswahl. Er findet, das Ergebnis ist ein Armutszeugnis für eine Region, die vom Tourismus lebt.

 Boris Bergen lebt mit seiner Ehefrau Yvonne und zwei Kindern auf Rügen.

Boris Bergen lebt mit seiner Ehefrau Yvonne und zwei Kindern auf Rügen.

Foto: Boris Bergen

Boris Bergen (43) entschied sich vor acht Jahren, noch einmal neu anzufangen. Der gebürtige Düsseldorfer lebte mit seiner Frau zuletzt in Dormagen und arbeitete als Redakteur beim Radio, zog dann aber auf die Ostseeinsel Rügen, um ein Gästehaus zu eröffnen. Seine beiden Kinder wachsen dort auf. Ihm und seiner Frau ist es sehr wichtig, sie weltoffen und tolerant zu erziehen. Die Beschäftigung mit der AfD sei einerseits eine alte Berufskrankheit, andererseits ein persönliches Anliegen. Bergen lebt in Baabe, was zum Wahlkreis Vorpommern-Rügen V gehört. Dort liegt die AfD sogar vor der SPD. Knapp 25 Prozent haben die Partei gewählt.

Sind Sie von diesem Ergebnis überrascht worden?

Bergen Nein, ich war leider nicht überrascht. Ich habe schon vor einem Jahr Äußerungen im direkten Umfeld wahrgenommen, die mir Sorgen machten. Ich habe mich damals schon gefragt, was wohl passiert, wenn 2016 gewählt wird. Ich habe das im direkten Umfeld mitbekommen. Meine Kinder besuchen hier die Schule, ich bin im Angelverein aktiv. Es ging eindeutig gegen die Bundesregierung und gegen die Flüchtlingspolitik von Angela Merkel. Ich habe am Anfang immer versucht, in Gesprächen über die Flüchtlingspolitik zu argumentieren. Aber irgendwann habe ich aufgehört damit. Es bringt nämlich nichts.

Wie kommt das? Im Vergleich zu Nordrhein-Westfalen gibt es doch in Mecklenburg-Vorpommern fast keine Flüchtlinge.

Bergen Wir haben auf der Insel rund 250 Flüchtlinge aufgenommen. Als ein Gastwirt im Nachbarort angeboten hat, Zimmer in seiner Pension für die Unterbringung von Flüchtlingen zur Verfügung zu stellen, gab es sofort Protest von Nachbarn. Ich glaube, es gibt drei Aspekte. Der erste Aspekt ist, dass die Leute nicht so schnell vergessen, was vor einem Jahr war oder was an Silvester in Köln passiert ist. Zum Zweiten hat die Debatte über Sicherheitspolitik und Hamsterkäufe sicherlich auch zum Wahlergebnis beigetragen, und es ist drittens eine Frage der Bildung. Manche Menschen sind vielleicht nicht gebildet genug, um zu erkennen, was die AfD macht.

Wie war denn die Stimmung vor der Wahl unter Touristen und Inselbewohnern?

Bergen Unter Touristen ist das häufiger ein Thema. Ich wurde schon öfter von meinen Gästen darauf angesprochen, was hier für eine Stimmung herrscht. Eine Freundin aus Rügen berichtete, ihre Eltern hätten zehn Jahre nicht gewählt und würden nun die AfD wählen. Meine Tochter kam aus der Schule und erzählte, ein Mitschüler hätte gesagt, man könne jetzt nicht mehr zum Strand gehen, wenn die ganzen Ausländer da sind.

Gibt es überhaupt Berührungspunkte zwischen Inselbewohnern und Flüchtlingen?

Bergen Ganz wenig. Deswegen ist das Wahlergebnis ein Armutszeugnis für eine Region, die hauptsächlich vom Tourismus lebt. Das wirkt alles andere als gastfreundlich. Wenn meine Kinder hier nicht aufwachsen würden und hier verwurzelt wären, würde ich ernsthaft in Betracht ziehen, hier wegzugehen. Ich kenne niemanden, der hier am Hungertuch nagen muss. Im Gegenteil: Die meisten Leute haben von der Entwicklung im Tourismus in den vergangenen 20 Jahren profitiert. Trotzdem sind die Menschen unzufrieden. Das kann ich nicht nachvollziehen.

Was denken Sie, wie es jetzt weitergeht?

Bergen Ich hoffe, dass das jetzt eine einmalige Situation ist. Wenn das Flüchtlingsthema erledigt ist, hat die AfD keine Argumente mehr. Allerdings befürchte ich auch, dass die Menschen die positiven Veränderungen in diesem Land — mehr Arbeitsplätze, höhere Löhne — jetzt mit der AfD in Zusammenhang bringen werden. Wird es hier noch extremer, dann fühle ich mich hier nicht mehr wohl.

Mit Boris Bergen sprach Franziska Hein.

(heif)
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