Interview mit Landwirtschaftsminister Schmidt "20 Prozent Öko-Landbau sind machbar"

Berlin · Landwirtschaftsminister Christian Schmidt spricht im Interview mit unserer Redaktion über seine Pläne für die Entwicklung der ländlichen Regionen, über das Kükenschreddern und die Zukunft der Bio-Landwirtschaft.

Das ist Christian Schmidt
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Foto: dpa, geb lre wst fdt

CDU und CSU wollen ihr Ministerium zu einem Heimatministerium machen. Sehen Sie sich in der Rolle des Heimatministers?

Schmidt Ich freue mich, dass die Union in der Frage der Entwicklung der ländlichen Räume meine Vorschläge aufgenommen hat. Die ländlichen Räume gehören künftig mit in den Namen meines Ministeriums. Und ja: Das Amt des Bundesministers für Ernährung, Landwirtschaft und ländliche Räume würde ich auch nach der Bundestagswahl gerne fortführen.

Was muss ein Heimatminister leisten?

Schmidt Inhaltlich läuft diese Arbeit bereits in meinem Haus und hier ist auch die größte Expertise. Deshalb habe ich für die Entwicklung der ländlichen Räume Anfang des Jahres eine eigene Abteilung eingerichtet. Bei den Maßnahmen müssen wir individuell auf die Bedürfnisse der Regionen eingehen, die in Vorpommern anders sind als am Niederrhein. Im Kern bleibt die Aufgabe, die Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse zu erhalten. Die Erfüllung dieses Verfassungsauftrages droht nicht zuletzt durch die abnehmende Bevölkerungsdichte auf dem Land in Gefahr zu geraten. Hier müssen wir mit Maßnahmen für die Bildung, die wirtschaftliche Entwicklung und die Daseinsvorsorge, wie zum Beispiel medizinische Versorgung, gegensteuern.

Klingt nach einem gigantischen Subventionsprogramm . . .

Schmidt Genau das will ich nicht. Es geht vielmehr um clevere Ideen, um die Bedürfnisse der Menschen zu erfüllen. Beispielsweise müssen auf dem Land Fahrdienste zum Arzt organisiert werden. Hierfür brauchen wir Lösungen vor Ort, zum Beispiel unter Beteiligung von Ärzten und Kommunen. Da müssen wir die gesetzlichen Regelungen überprüfen.

Ist der Job bei einem Bayer denn richtig aufgehoben? Seehofer sagt 'Bayern zuerst‘ - besteht nicht die Gefahr, dass andere Regionen zu kurz kommen?

Schmidt Bayern ist in vielen Dingen Spitzenreiter in Deutschland. Ich sehe keinen Grund, warum man die Erfahrungen nicht auch auf andere Länder übertragen kann. Und als Bundesminister bin ich sowieso dem ganzen Land verpflichtet.

Bleiben Bio-Produkte langfristig Lebensmittel nur für eine kleine Bevölkerungsgruppe?

Schmidt Nein. Bio-Produkte sind längst aus der Nische heraus. Im vergangenen Jahr wurden in Deutschland Bioprodukte für fast zehn Milliarden Euro umgesetzt. Ein Plus von annähernd zehn Prozent gegenüber dem Vorjahr. Und die Öko-Produktion in Deutschland hat noch deutlich Steigerungspotential.

In welcher Größenordnung denken Sie?

Schmidt Ich bin davon überzeugt, dass es sinnvoll und machbar ist, 20 Prozent der Fläche im landwirtschaftlichen Anbau ökologisch zu betreiben. So steht es als Ziel in meiner Zukunftsstrategie Ökologischer Landbau. Aktuell liegen wir bei sechs bis sieben Prozent. Wir müssen heute sehr viel importieren, weil wir die heimische Nachfrage nicht selbst decken können. Das halte ich gerade im ökologischen Bereich nur für die zweite Wahl.

Bis zu welchem Zeitpunkt kann man 20 Prozent Öko beim landwirtschaftlichen Anbau erreichen?

Schmidt Das geht nicht von heute auf morgen, wenn man die Qualität erhalten möchte. Realistisch lässt sich das in einer Zeitspanne von 10 bis 15 Jahren umsetzen. Letztendlich entscheidet aber jeder Landwirt selbst, ob er umstellt oder nicht. Das lässt sich nicht per Gesetz verordnen, aber wir schaffen Anreize.

Sie hatten sich auf die Fahne geschrieben, dass Kükenschreddern und das Schlachten trächtiger Kühe abzuschaffen. Warum sind Sie da nicht weiter gekommen?

Schmidt Einspruch! Mein Gesetzentwurf, der das Schlachten trächtiger Rinder verbietet, liegt im Bundestag und wird derzeit von den Regierungsfraktionen beraten. Ich bin sehr zuversichtlich, dass das Gesetz noch in dieser Wahlperiode verabschiedet wird.

Und die Küken?

Schmidt Auch hier ist das Ziel in Sicht. Wir befinden uns bei der Geschlechtsbestimmung im Ei beim Sprung vom Labor in die Praxis. Man sollte sich auch noch einmal klar machen, was die Alternativen zu unserem Vorgehen wären: Mit einer gesetzlichen Regelungen würde sich das Problem lediglich ins Ausland verlagern, wo wir keinen Einfluss auf Fragen des Tierschutzes haben. Damit wäre dem Tierschutz überhaupt nicht geholfen.

Wie lange wird es dauern, bis diese Methode flächendeckend angewendet wird?

Schmidt Der Einstieg in den Ausstieg aus dem Kükentöten ist geschafft. Und ich gehe davon aus, dass der Druck durch die Verbraucher für eine schnelle Verbreitung der Technik sorgen wird. Wenn die Technik flächendeckend verfügbar ist, greift automatisch das Tierschutzgesetz in seiner jetzigen Form — und das Töten männlicher Eintagsküken ist verboten.

Werden die Eier durch die neue Technik teurer?

Schmidt Das Küken, das später als Legehenne sehr viele Eier legen wird, kostet ein paar Cent mehr. Aufs einzelne Frühstücksei umgerechnet dürfte sich das beim Verbraucher kaum bemerkbar machen. Ganz grundsätzlich will ich aber schon sagen: Mehr Tierwohl zum Nulltarif kann es nicht geben.

Schließt die CSU eine Koalition mit den Grünen auf Bundesebene aus?

Schmidt Aktuell sehe ich weder eine Mehrheit noch ausreichend inhaltliche Schnittmengen für eine Koalition mit den Grünen.

Wird eine Obergrenze für Flüchtlinge für die CSU zur Bedingung für eine nächste Koalition?

Schmidt Die CSU ist bekannt dafür, ihre Forderungen umzusetzen.

Jan Drebes und Eva Quadbeck führten das Gespräch.

(qua / dre)
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