Lars Klingbeil Schröders Liebling soll SPD-General werden

Düsseldorf · Er entwarf das erste digitale Grundsatzprogramm für die SPD. Er brachte den heutigen Fußball-Präsidenten Reinhard Grindel gegen sich auf. Und er ist der Liebling von Altkanzler Gerhard Schröder. Lars Klingbeil soll neuer Generalsekretär der SPD werden. Ein Porträt.

 Gerhard Schröder und Lars Klingbeil bei einem gemeinsamen Auftritt im Wahlkreis Rotenburg (Niedersachsen) am 30. August 2017.

Gerhard Schröder und Lars Klingbeil bei einem gemeinsamen Auftritt im Wahlkreis Rotenburg (Niedersachsen) am 30. August 2017.

Foto: dpa

Auf die Frage, auf welchen Nachwuchspolitiker die Journalisten mal achten sollten, fiel Altkanzler Gerhard Schröder vor wenigen Tagen nur ein Name ein: "Lars Klingbeil." Ein kluger Kopf sei das, von dem werde man noch hören, so der SPD-Kanzler a.D.. Gerhard Schröder sollte recht behalten. SPD-Chef Martin Schulz will offenbar den 39-jährigen Bundestagsabgeordneten aus dem niedersächsischen Munster zum neuen Generalsekretär der Bundespartei machen. Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil, umjubelter Gewinner der Landtagswahl, unterstützt die Idee nachdrücklich und hat sich früh für den Chef der niedersächsischen SPD-Landesgruppe im Bundestag eingesetzt.

Lars wer? Der Sozialwissenschaftler zog 2005 überraschend als Nachrücker für neun Monate in den Bundestag. Mit langen Haaren und Piercing verschaffte sich Klingbeil, einst Mitglied der Jugendband "Sleeping Silence" den Ruf als "Reichstags-Rocker" (Bild-Zeitung). Nach seinem ordentlichen Einzug in den Bundestag 2009 wechselte er ins seriöse Fach und machte sich als Sicherheitsexperte (Munster ist Heimat des Bundeswehr-Ausbildungszentrums, Klingbeils Vater war Berufssoldat) und später vor allem als Netzexperte einen Namen.

Klingbeil kämpfte für freies W-Lan in den Städten und digitale Bildung in den Schulen, aber vor allem auch 2015 gegen die vom damaligen SPD-Chef Gabriel durchgesetzte Vorratsdatenspeicherung. Klingbeil muckte auf, durfte trotzdem später für die SPD wesentlich das digitale Grundsatzprogramm entwerfen. Heute ist er im Netz Vorreiter, und auf allen Kanälen erreichbar - von der Whatsapp-Sprechstunde bis zum Facebook-Live-Video. Alleine auf Twitter folgen der SPD-Nachwuchshoffnung 17.000 Personen.

Doch die persönliche Ansprache vergisst Klingbeil dabei nicht. Die Hausbesuche, die sich die großen Parteien im Bundestagswahlkampf auf die Fahnen geschrieben habe, macht Klingbeil seit acht Jahren. Auch in "tiefschwarzen Ecken", wie ein Sozialdemokrat aus der Heimat erzählt. Bei der Bundestagswahl erzielte Klingbeil das deutschlandweit viertbeste SPD-Ergebnis und holte den eher konservativen Wahlkreis erstmals direkt.

In der SPD-Bundestagsfraktion gilt Klingbeil als unbequem, als sanfter Rebell, aber menschlich hört man wenig Kritisches. Selbst die weiblichen Mitglieder der SPD-Fraktion wie Elke Ferner, die nun lieber eine Frau als Generalsekretärin sehen wollen, haben an Klingbeil persönlich nichts auszusetzen.

Klingbeil ist Mitglied des konservativen Seeheimer Kreises. Als früherer Mitarbeiter von Gerhard Schröder verteidigte er die Agenda 2010 und holte sich Schröder gegen den Rat einiger Genossen im Wahlkampf auf die Bühne. Doch er kann auch mit SPD-Linken. Sein offener Widerstand gegen Gabriel bei der ungeliebten Vorratsdatenspeicherung verschaffte ihm Respekt. Intern sprach sich der Sozialwissenschaftler schon Ende 2016 für den aus NRW stammenden Europapolitiker Martin Schulz und gegen den Niedersachsen Gabriel als Kanzlerkandidaten aus. Auch das dürfte ihm nun bei Schulz geholfen haben.

Musikalisch bevorzugt Klingbeil ohnehin nicht die leisen Töne. Einst selbst Mitglied der Jugendband "Sleeping Silence" aktiv, steht noch heute die Gitarre griffbereit in Klingbeils Berliner Bundestagsbüro. Lieblingsband: "Rage against the machine".

Zur Politik kam Klingbeil auf die klassische Tour über die Kommunalpolitik. Er organisierte als Stadtrat den Disco-Bus in seiner Heimat. 1997 demonstrierte er gegen die Bildungspolitik des damaligen Ministerpräsidenten Schröder. Als Schröder im Jahr darauf Bundeskanzler wurde, holte sich der Regierungschef den einstigen Widersacher als Mitarbeiter für das Wahlkreisbüro. Bis heute zählt Klingbeil Schröder zu seinen politischen Vorbildern. Selbst dem früheren CDU-Gegenkandidaten Reinhard Grindel, heute DFB-Präsident, machte Klingbeil zu schaffen. Als der NDR ein positives Portrait über den jungen SPD-Kandidaten machte, beschwerte sich Grindel beim öffentlich-rechtlichen Sender. Und verlangte ebenfalls ein Portrait. Die beiden dürften sich künftig an anderer Stelle wiedersehen.

(brö)
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