Loki Schmidt Lebensklug, nüchtern, tapfer

Düsseldorf (RP). Der Tod der Lehrerin, Hamburger Ehrenbürgerin, Naturschützerin zerreißt nach staunenswerten 68 Ehejahren mit Kanzler a.D. Helmut Schmidt das feste Band eines ehernen Paares, das in Deutschland verehrt wurde, Kultstatus erreichte. Der nun Verstorbenen gebührte der Löwinnen-Anteil an dem Bund, der einer fürs Leben wurde.

"Deutschland verliert eine große Frau"
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Foto: dapd

Hannelore Schmidt, "Loki" genannt, hatte im hohen Alter zwei sehnliche Wünsche: dass sie 2012 mit ihrem Ehemann Helmut den 70. Hochzeitstag werde feiern können; und dass sie und ihr Helmut dereinst zeitgleich abberufen würden. Wie wir seit gestern wissen, gingen beide Wünsche nicht in Erfüllung. Wie hatte Helmut Schmidt, der einen Tag vor Heiligabend 92 wird, vor Kurzem einmal den Wunsch seiner Loki lakonisch kommentiert: "Darüber hast Du nicht zu entscheiden." Sie blickte ihn von der Seite an und entgegnete: "Das stimmt, und es ist auch gut so."

Jeden, der sich von der steinalten Ehe-Kameradschaft des wohl beliebtesten Paares in Deutschland anrühren ließ, wird es traurig stimmen, dass Loki ihrem Helmut nun in den Tod vorausgegangen ist. Der Journalist Theo Sommer, Loki und Helmut Schmidt seit Jahrzehnten sehr verbunden, verglich die beiden einmal mit Philemon und Baucis, dem alten Paar aus der griechischen Mythologie, dem die Götter den Wunsch erfüllten, auf ewig unzertrennlich zu bleiben.

Keine Begabung zum Jammern

Theo Sommer sagte auch ziemlich unverblümt, dass es Loki gewesen sei, die den Löwinnen-Anteil daran habe, dass die Ehe, die jahrelang eine durchaus gefährdete Politiker-Ehe gewesen war, staunenswerte 68 Jahre hielt. Loki Schmidt registrierte in der Bonner Zeit, als Helmut Schmidt große Karriereschritte bis hinauf ins Kanzleramt machte, dass ihr vitaler Ehemann mit dem Zähne zeigenden virilen Charme dem schönen Geschlecht gefiel und zu gefallen bemüht war.

Letztlich blieb diese Ehegemeinschaft auch deshalb reißfest, weil die lebenskluge Pädagogin Loki Schmidt weder die Begabung zum Jammern besaß noch zur Melancholie neigte. Man müsse, so sagte sie es einmal rundheraus, den Partner nehmen, wie er sei, und nicht, wie man ihn gerne hätte. Ehemann Helmut sprach im Gegenzug auf seine im Vergleich zu Loki nicht minder trockene Art ein öffentliches "Danke" von Ehemann zu Ehefrau.

Für Schmidts Verhältnisse kam das einer Huldigung gleich für die lebenslang patente Gefährtin, die ihm, dem jungen Kriegsheimkehrer, Wehrmachtsoffzier und Volkswirtschafts-Studenten mit ihrem Volksschullehrerinnen-Gehalt die Hochschulausbildung finanzierte. Später im Leben, als sich der Ehemann zuerst als Hamburger Senator, danach im Bonner Bundestag politisch-parlamentarische Meriten verdiente, war er der Ernährer der dreiköpfigen Familie. Loki machte auch darum wenig Aufhebens: "Erst habe ich ihn finanziert, dann er mich." "Wo liegt das Problem?", schien sie sagen zu wollen.

Die inzwischen 63 Jahre alte, im englischen Kent lebende, kinderlos verheiratete Tochter Susanne schilderte die Atmosphäre im Elternhaus als rustikal-freundschaftlich, unsentimental und frei von allen erziehungspsychologischen Moden. Ihre Mutter formulierte es einmal so: "Kinder müssen ihre Grenzen kennenlernen, da hilft ein kurzer Klaps oft mehr als hundert Worte."

Eine Heldin der Nachkriegszeit

Am Beginn der 1942, mitten im Krieg, geschlossenen Ehe des Arbeiterkindes Loki mit dem Lehrersohn Helmut standen schwere private Prüfungen: Die junge Ehefrau erlitt sechs Fehlgeburten. Der Sohn Helmut Walter, genannt "Moritzel", starb im ersten Lebensjahr an einer Hirnhautentzündung. Sein Vater war da an der Kriegsfront. Loki Schmidt, die als Lehrerin ihrer Zweitgeborenen noch vor deren Einschulung Lesen, Rechnen, Schreiben beibrachte, war stolz, dass das gescheite Kind dadurch das erste Schuljahr übersprang und sofort Klasse 2 besuchen durfte. Gäbe es für Frauen Tapferkeitsmedaillen — Nachkriegs-Heldin Loki Schmidt hätte sie sich verdient.

Auszeichnungen, Ehrungen folgten später im Leben der Frau, die in Hamburg-Barmbek in ärmlichen Verhältnissen, einer winzigen Wohnung mit Vater, Mutter und Geschwistern aufwuchs. Der schönste Lorbeer war ihr bestimmt die Verleihung der Ehrenbürgerschaft ihrer Vaterstadt. Man pries sie zurecht als positive Hamburger Symbolfigur, die zudem mit Worten, Taten, Buchveröffentlichungen den Schutz der Flora gefördert, ihn als Lebensaufgabe betrachtet hat. RP-Herausgeber Gottfried Arnold, Vorsitzender des Kuratoriums zur Vergabe des ältesten deutschen Umweltpreises, würdigte die Trägerin der "Goldenen Blume von Rheydt" gestern als eine Persönlichkeit, der besondere Wertschätzung über den Tod hinaus gebühre.

Unvergesslich bleiben die knarzenden Eigenheiten von Loki Schmidt, die nach zuletzt häufigen Klinikaufenthalten (Kreislaufkollaps, Brüche, Wirbelsäulen-OP, Blutvergiftung) immer wieder Zigaretten rauchend, dabei ein wenig zitternd, an der Seite ihres paffenden Ehemanns auftauchte und trockenen Humor zeigte. Das eherne Paar genoss Kultstatus, hauchte dem WDR-Sketch "Loki und Smoky" Leben ein. Ein TV-Film zeigt einen Moment, bei dem Loki dem im Hamburg-Langenhorner Heim zu Besuch weilenden großen alten Freund Henry Kissinger zum Abschied zuraunt: "Vergiss uns nicht." Wer würde die Schmidts, wer deren bessere Hälfte je vergessen?

(RP)
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