Jürgen Trittin im Interview Linke und SPD werden koalieren

Grünen-Fraktionsvize Jürgen Trittin ist davon überzeugt, dass Linkspartei und SPD spätestens im Saarland koalieren werden. Im Interview spricht er über Regierungs-Optionen in Hessen, die Rolle Oskar Lafontaines und das schwarz-grüne Verhältnis.

Wem in der Politik hätten Sie in dieser Session einen Narrenorden verliehen?

Trittin (denkt lange nach) Dem Roland Koch. Er hat die Wahl verloren und vermag das genau so wenig zu realisieren wie anfangs Gerhard Schröder nach der Bundestagswahl. Allerdings konnte Schröder bei den Koalitionsverhandlungen noch relativ viel für seine Partei rausholen. Ich vermute, dass Roland Koch sich Gerhard Schröder zum Vorbild nimmt.

Warum haben die Grünen ausgerechnet im Joschka-Fischer-Land Hessen und mit dem gefeierten Talent Tarek Al-Wazir verloren?

Trittin Die Wahl hat gezeigt, dass Inhalte doch entscheidender sind als Personen. Die Grünen haben auf eine Mehrheit jenseits von Koch gesetzt, die SPD hat aber leider nur grüne Wähler abgeworben, anstatt ihr Stammklientel zu mobilisieren. Die Verluste an die Linkspartei hat sie damit nicht verhindern können.

Sind die Linken damit angekommen im Westen, oder bleiben sie eine Ausnahme-Erscheinung?

Trittin Ich habe nie zu denen gehört, die die Linkspartei für ein vorübergehendes Phänomen hielten. Dafür ist ihre Verankerung im Osten viel zu gut. Ich glaube, dass die Linkspartei spätestens im Saarland auch im Westen nach Regierungsverantwortung streben und mit der SPD koalieren wird.Wenn sie eine Chance hat, Peter Müller abzulösen, wird sie das tun. Und wenn meine Partei zur Mehrheitsbildung notwendig ist, wird sie mitverhandeln.

Warum dann nicht jetzt schon Rot-Rot-Grün?

Trittin Noch ist die Linkspartei der Garant dafür, dass die CDU an der Macht beteiligt wird. Denn die Linke will Opposition sein. Sie bekommt ihre Stimmen bislang nur mit dem Versprechen, ihre Ideen auf keinen Fall zu verwirklichen. Aber langfristig wählen die Leute nur Parteien, weil sie ihren Willen umsetzen. Das eigentliche Votum der Hessen war eine Abwahl der CDU. Da sich die FDP diesem Wählerwillen widersetzt, sind die Wahlergebnisse aus Sicht der Linkspartei ein an der Macht halten der CDU. Die Wähler müssen sich fragen, ob das klug ist.

Wären die Schnittmengen von Grün und Links ohne Lafontaine größer?

Trittin Oskar Lafontaine verkörpert die Ausrichtung der Linkspartei auf Fundamentalopposition. Das ist auch eine Niederlage für Gregor Gysi und die Realos. Aber die Mehrheit der Partei möchte eben Opposition sein, sie möchte ihre Inhalte nicht umsetzen. Das ist der Grund, warum wir in Deutschland linke Mehrheiten auf der numerischen Seite haben, die aber politisch nicht handlungsfähig sind.

Verhält sich die Grünen-Spitze klug, wenn sie Schwarz-Grün auf Dauer ablehnt und stattdessen immer wieder aufs Neue bei den Liberalen anklopft?

Trittin Es ist richtig, weil es die Schnittmengen mit der Union nicht gibt. Bei Themen wie Atomkraft, Tempolimit oder Mindestlohn sind wir weit entfernt von der CDU. Bei allen Problemen, die es auch mit der SPD gibt, gilt die Regel, dass die Probleme mit der CDU dreimal so groß sind. Die einzige Annäherung gab es in der Familienpolitik. Da hat die CDU langsam aufgeschlossen auf das Niveau der französischen Gaullisten. Sie beginnt, die Realitäten anzuerkennen.

Und was ist mit der Anbiederung an die Liberalen?

Trittin Die Ampel scheitert jetzt noch daran, dass die FDP das Trotzköpfchen macht. Aber meine These ist: Wenn Guido Westerwelle Weihnachten 2009 nicht Bundesminister ist, wird er am 6. Januar 2010 das Dreikönigs-Treffen der FDP nicht als Parteivorsitzender eröffnen. Also wird er jetzt noch trotzen, aber dann nicht mehr.

Soll sich Joschka Fischer auch in Hamburg wieder in den Wahlkampf einschalten?

Trittin Joschka hat in Hessen mitgemischt, weil er noch eine alte Rechnung mit Herrn Koch zu begleichen hatte. Ob er auch eine Ausnahme für Hamburg machen möchte, da bin ich eher skeptisch. Die Grünen werden ihr Wahlergebnis so oder so erzielen.

(RP)
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