Debatte um Maghreb-Staaten Winfried Kretschmann für mehr sichere Herkunftsländer

Berlin/Stuttgart · Der Regierungschef von Baden-Württemberg, Winfried Kretschmann, warnt vor der kriminellen Energie junger Maghrebiner – eine Konsequenz aus der Kölner Silvesternacht. Der Vorstoß befeuert die Grundsatzdebatte infolge des Berliner Anschlags.

Winfried Kretschmann ist Ministerpräsident von Baden-Württemberg.

Winfried Kretschmann ist Ministerpräsident von Baden-Württemberg.

Foto: dpa, frk wok

Der Regierungschef von Baden-Württemberg, Winfried Kretschmann, warnt vor der kriminellen Energie junger Maghrebiner — eine Konsequenz aus der Kölner Silvesternacht. Der Vorstoß befeuert die Grundsatzdebatte infolge des Berliner Anschlags.

Die Ereignisse der Silvesternacht in Köln haben den Druck auf die Grünen erhöht, ihren Widerstand gegen eine Einstufung der Maghreb-Staaten Marokko, Algerien und Tunesien als sichere Herkunftsländer aufzugeben. In Köln hatte die Polizei zum Jahreswechsel mit Hunderten nordafrikanischen Männern zu tun, die nach Angaben der Behörden hochaggressiv waren.

Der Stuttgarter Regierungschef Winfried Kretschmann (Grüne) ging nun mit der Forderung nach Konsequenzen auch gegenüber seiner eigenen Partei voran: "Baden-Württemberg wird der Ausweitung der sicheren Herkunftsländer um die besagten Maghreb-Staaten zustimmen, sofern die Bundesregierung das Ansinnen in den Bundesrat einbringt", sagte Kretschmann unserer Redaktion.

Das Thema ist bei den Grünen hochumstritten. Bereits in früheren Diskussionen um die Einstufung etwa von Balkanstaaten war Kretschmann bei seinen Parteifreunden angeeckt. "Die kriminelle Energie, die von Gruppierungen junger Männer aus diesen Staaten ausgeht, ist bedenklich und muss mit aller Konsequenz bekämpft werden", begründete er nun die Haltung seiner grün-schwarzen Koalition.

"Baden-Württemberg hat nach den Terroranschlägen der letzten zwei Jahre jedes Mal sehr schnell Konsequenzen gezogen und die Sicherheitskräfte im Land verstärkt", betonte Kretschmann. Diese Debatte müsse auch nach dem Anschlag in Berlin geführt werden. Er wolle Vorschläge noch nicht kommentieren, "aber zweifellos müssen wir unseren Umgang mit den sogenannten Gefährdern überdenken".

Zuvor hatten auch Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) und SPD-Chef Sigmar Gabriel Vorschläge für eine neue deutsche Sicherheitsarchitektur vorgelegt. Gabriel bezeichnete die innere Sicherheit als "ursozialdemokratisches Thema". Das Konzept seiner Partei unterscheide sich von den Unionsforderungen nach Gesetzesverschärfungen dadurch, dass es auch auf Prävention und die Stärkung des inneren Zusammenhalts setze.

Massiver Widerspruch aus den Ländern

De Maizière stellte die Aufgabenverteilung zwischen Bund und Ländern infrage. Angesichts der neuen Herausforderungen durch den Terrorismus sei es an der Zeit, "die Fähigkeiten Deutschlands zur Krisenbewältigung zukunftsfähig zu machen". Nötig sei eine "Steuerungskompetenz über alle Sicherheitsbehörden". Konkret strebt de Maizière eine Konzentration des Verfassungsschutzes beim Bund an, was die 16 Landesbehörden infrage stellen könnte. Auch bei Fahndung, Gefährder-Überwachung und Abschiebung will er mehr zentrale Zuständigkeiten.

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Polizei-Großeinsatz zu Silvester 2016 in Köln

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Damit stieß er auf massiven Widerspruch. "Die Landesämter für Verfassungsschutz abzuschaffen, um sie durch eine riesige Bundesbehörde zu ersetzen, macht uns nicht besser, sondern bürokratischer und behäbiger", sagte NRW-Innenminister Ralf Jäger (SPD). Sein hessischer Kollege Peter Beuth (CDU) nannte eine Zerschlagung "Unsinn".

Und Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) bezeichnete es als "abwegig", dass die Bundespolizei zusätzliche Aufgaben übernehmen solle, obwohl sie nach eigenem Bekunden nicht genug Personal habe, um die Grenzen wirksam zu kontrollieren. Im ZDF verteidigte de Maizière am Abend seinen Vorstoß: "Wir sind ja nicht mehr in den 50er, 60er Jahren, sondern internationalen Bedrohungen ausgesetzt. Da sind Argumente, dies sei Machtmissbrauch, nicht mehr angebracht."

"Herr de Maizière spielt vor der CSU-Klausurtagung den schwarzen Sheriff, schießt inhaltlich aber nur mit Platzpatronen", sagte der niedersächsische Innenminister Boris Pistorius (SPD) unserer Redaktion: "Seine Vorschläge sind purer Aktionismus." In einem Zwölf-Punkte-Plan entwickelte er eigene Vorschläge.

Demnach sollen Gefährder, also Personen, die islamistische Gewalttaten verüben könnten, besser überwacht werden können. "Wir wollen den Einsatz einer elektronischen Fußfessel für Gefährder zur Verhinderung der Ausreise ermöglichen", heißt es in dem Papier. Flüchtlinge, die sich nicht ausweisen können, müssten stärker zur Mithilfe bei der Klärung ihrer Identität verpflichtet werden.

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Zudem plädierte Pistorius dafür, stärker europäisch gegen globale Bedrohungen, etwa durch Cyber-Kriminalität, vorzugehen. Dazu zog er einen Vergleich mit der Bundespolizei der USA: "Deswegen brauchen wir ein europäisches FBI, das wir notfalls auch mit wenigen EU-Staaten vorantreiben sollten."

(brö / mar / may-)
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