Malu Dreyer vor Diesel-Gipfel "Industrie muss Umstiegsprämien selbst finanzieren"

Berlin · Die rheinland-pfälzische Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD) spricht im Interview mit unserer Redaktion über ihre Erwartungen an den Dieselgipfel am Mittwoch in Berlin.

 Wie geht es mit dem Diesel in Deutschland weiter? (Symbolbild)

Wie geht es mit dem Diesel in Deutschland weiter? (Symbolbild)

Foto: dpa, mut bwe wie

Wenn sich herausstellt, dass das Kraftfahrtbundesamt, das dem Bundesverkehrsminister unterstellt ist, mit der Autoindustrie unzulässig gemeinsame Sache gemacht hat, warum muss Herr Dobrindt dann nicht zurücktreten?

Dreyer Diese Frage betrifft die Bundesebene. Hier gilt es abzuwarten, wie belastbar diese Informationen sind.

Welche Folgen, auch personeller Art, müssen die vorsätzlichen Abgas-Manipulationen und Kartellabsprachen in den Autokonzernen haben?

 "Falls rechtswidrig gehandelt wurde, müssen die Unternehmen die rechtlichen Folgen tragen": Malu Dreyer.

"Falls rechtswidrig gehandelt wurde, müssen die Unternehmen die rechtlichen Folgen tragen": Malu Dreyer.

Foto: dpa, ade jhe rho

Dreyer Falls rechtswidrig gehandelt wurde, müssen die Unternehmen die rechtlichen Folgen tragen. Dies gilt auch für Einzelpersonen, die möglicherweise in Abgasmanipulationen involviert waren oder noch sind.

Welche Verantwortung haben die Aufsichtsräte dort?

Dreyer Die Pflichten der Aufsichtsgremien ergeben sich aus den einschlägigen Rechtsvorschriften, insbesondere dem Aktiengesetz.

Warum brauchen wir eine Möglichkeit zur Sammelklage gegen Autokonzerne?

Dreyer Im Interesse der Gesundheit unserer Bürgerinnen und Bürger geht es jetzt prioritär um technische Lösungen, die sofort den Schadstoffausstoß verringern und damit die Luftreinheit sofort verbessern. Aber klar ist doch auch, dass die Verbraucher nicht auf dem Schaden sitzen bleiben dürfen. Die Justizministerkonferenz hat bereits im Frühjahr ein Erfordernis festgestellt, die Möglichkeiten der Rechtsverfolgung für Verbraucherinnen und Verbraucher durch geeignete Institute kollektiven Rechtsschutzes zu verbessern. Der Bundesminister für Justiz und Verbraucherschutz erarbeitet derzeit einen Gesetzentwurf. Bislang wurde das von der Union blockiert.

Warum brauchen wir keine Kaufanreize für modernste Dieselfahrzeuge?

Dreyer Ich bin gegen eine steuerfinanzierte Abwrackprämie: Wir erwarten Kaufanreize, die die Hersteller setzen: zum Beispiel mit eigenfinanzierten Umstiegsprämien älterer Dieselfahrzeuge auf Fahrzeuge mit modernster und sauberster Antriebstechnik. Es muss sichergestellt sein, dass die Besitzer von Dieselfahrzeugen keine Nachteile erleiden und nicht der Steuerzahler für Versäumnisse der Industrie aufkommt.

Wie beurteilen Sie ein europaweites Ausstiegsdatum für den Verbrennungsmotor?

Dreyer Ein solches Datum lässt sich derzeit seriös nicht bestimmen, da es noch zu viele Unbekannte gibt. Denn es müsste klar sein, dass zu diesem Zeitpunkt auch genügend regenerativ erzeugte Energie zur Verfügung steht, so dass batterie-elektrische oder Brennstoffzellen basierte Antriebe im Vergleich zu Verbrennungsmotoren auch beim CO2-Ausstoß insgesamt vorteilhafter sind. Die Ladeinfrastruktur muss es dann auch Bürgerinnen und Bürgern, die nicht über private Pkw-Abstellplätze verfügen, flächendeckend ermöglichen, ihre Fahrzeuge wohnungsnah zu laden. Unklar ist zudem, ob bei einer globalen, massenhaften Motorisierung mit Elektroantrieben bestimmte Schlüsselrohstoffe wie Kobalt, Lithium und Neodym noch in hinreichendem Umfang und zu bezahlbaren Preisen zur Verfügung stehen. Weiterhin geht es darum, einen solchen Strukturwandel ohne nachteilige Auswirkungen auf die Wirtschaft und die Beschäftigten zu gestalten. Für einen solchen Transformationsprozess haben die Staaten, die Termine genannt haben, keine Übergangsszenarien bekannt gemacht.

Wie muss ein wirkungsvolles Ergebnis des Dieselgipfels am Mittwoch aussehen?

Dreyer Das Ergebnis sollte ein Maßnahmenpaket sein. Wir fordern von der Automobilindustrie ein umfassendes Sofortprogramm, um die unzulässigen NOx-Emissionen bei Dieselfahrzeugen deutlich zu reduzieren. Verbraucher dürfen dabei nicht die Lasten der Versäumnisse der Industrie tragen. Darüber hinaus müssen wir Maßnahmen beschließen, um die Überschreitungen von Luftschadstoffgrenzwerten in den betroffenen Städten in den Griff zu bekommen. Da kann ich mir auch Förderprogramme vorstellen für eine verbesserte Luftreinhaltung und nachhaltige Mobilität.

(mar)
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