Interview mit Arbeitsministerin Ursula von der Leyen "Manager-Gehälter nach Leistung zahlen"

Berlin · Bundesarbeitsministerin Ursula von der Leyen will die Verdienste in der Wirtschaft begrenzen und Mindestlöhne einführen. Im Interview mit unserer Redaktion sprach die CDU-Politikerin außerdem über die Debatte um die steuerliche Gleichstellung von Homo-Ehen und die Rentenreform.

Ursula von der Leyen - EU-Kommissionschefin und siebenfache Mutter
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Das ist Ursula von der Leyen

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Foto: AP/Efrem Lukatsky

Müssen Managergehälter in Deutschland begrenzt werden?

Von der Leyen Trotz der Krise sind die Managergehälter weit überproportional zur Lohnentwicklung und Wirtschaftsleistung gestiegen. Vielen fällt es schwer, nachzuvollziehen, warum. Nur ein kleiner Zirkel weiß, wie hoch der originäre Anteil eines Managers am Erfolg eines Unternehmens ist und ob das Millionenprämien rechtfertigt. Für alle anderen ist es eine Black Box. Wir müssen da mehr Transparenz schaffen. Das Schweizer Modell ist gut, weil es die Verantwortung für die Höhe der Gehälter in die Hände der Eigentümer legt, zum Beispiel die Aktionärsversammlungen.

Manager verdienen im Durchschnitt mehr als das Fünfzigfache eines durchschnittlichen Arbeitnehmers. Wo sollte die Grenze liegen?

Von der Leyen Die Politik sollte keine Vorschriften machen, wie viel Manager verdienen dürfen. Es geht vielmehr darum, was einer leistet, wie nachhaltig er das Unternehmen nach vorne bringt. Das können die Eigentümer eines Unternehmens sehr gut beurteilen. Offene Debatten darüber, warum wie viel an jemanden gezahlt wird, fördern die soziale Kontrolle. In manchen Situationen hat das auch schon zu Verzicht geführt.

Ist die Einkommensschere in Deutschland zu weit auseinander gegangen?

Von der Leyen In den letzten zehn Jahren ist die Einkommensschere zunächst auseinander gegangen. Das lag auch an der Tarifzurückhaltung. Aber in den letzten zwei, drei Jahren nach der Krise ist die Kluft nicht mehr gewachsen. Wir müssen darauf achten, dass dies auch so bleibt. Die Frage, ob Leistung unten wie oben angemessen honoriert wird, stellt sich einer Gesellschaft immer wieder neu.

Was ist die wichtigste Botschaft des Armutsberichts?

Von der Leyen Die Zahlen zeigen, wir haben ein gutes soziales Netz, das vor existenzieller Not schützt, aber wir müssen die Aufstiegschancen verbessern. Wir brauchen mehr berufliche Aufstiegschancen für Frauen, faire Bezahlung für Geringverdiener, und alle Kinder müssen die Chance auf eine gute Bildung haben. Zudem muss, wer ein Leben lang gearbeitet hat, eine angemessene Rente erhalten.

Wie hoch sollte die faire Bezahlung für Geringverdiener, also ein Mindestlohn sein?

Von der Leyen Ich finde es wichtig, dass ein Arbeitnehmer in Vollzeit seinen eigenen Lebensunterhalt verdienen kann. Denn sonst lohnt sich Arbeit nicht mehr. Wo auf Cent und Euro genau der Mindestlohn liegt, das sollen Arbeitgeber und Gewerkschaften in einer Kommission aushandeln. Die Kommission soll ohne Vorgaben entscheiden, ob sie einen Mindestlohn flächendeckend, regional oder branchenspezifisch festsetzt.

Wie groß ist das Problem der Umgehung von Tarifverträgen durch Werkverträge?

Von der Leyen Wir müssen der Versuchung vorbauen, dass die schwarzen Schafe, die vorher die Zeitarbeit zur Kostendrückerei missbraucht haben, nun über Scheinwerkverträge Menschen ausnutzen. Das muss konsequent kontrolliert und geahndet werden. Wir prüfen gerade, ob wir auch als Gesetzgeber tätig werden müssen. Werkverträge sind in der Regel fair und einwandfrei. Sie dürfen nicht das Schlupfloch werden, um Löhne zu drücken und Leute ohne Sozialversicherung dastehen zu lassen.

In der Union ist eine Debatte über die steuerliche Gleichstellung von Homo-Ehen entbrannt. Auf welcher Seite stehen Sie?

Von der Leyen Wir sollten diese Debatte nutzen, um die größere Frage zu stellen: Wohin wollen wir das Ehegattensplitting weiter entwickeln? Alle Familien mit Kindern sollen den Splittingvorteil bekommen, egal ob sie in einer Ehe, einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft oder mit gleichgeschlechtlichen Eltern aufwachsen. Eine so große Reform kann man nicht in ein paar Wochen erledigen, sondern dafür braucht man mehr Zeit. Wichtig ist, dass wir Vertrauensschutz schaffen für langjährige Ehen. Das neue Familiensplitting muss langfristig nicht teurer sein als der Status Quo.

Sind Sie auch für das volle Adoptionsrecht für eingetragene Lebenspartnerschaften?

Von der Leyen Wir sollten dem Verfassungsgericht folgen und uns die Lebenswirklichkeit anschauen. Ich kenne keine Studie, die zeigt, dass Kinder aus gleichgeschlechtlichen Lebenspartnerschaften weniger behütet ins Leben gehen. Mir sagt meine Lebenserfahrung, dass es entscheidend darauf ankommt, dass ein Kind liebevolle Eltern hat, seien dies nun Vater und Mutter oder zwei Mütter oder zwei Väter. Das ist in jedem Fall besser, als wenn ein Kind in einem Heim aufwachsen muss. Ich bin froh und dankbar über jedes Paar, dass unendlich viel Liebe, Zeit, Kraft und Geld in ein Kind investiert.

Mit Ihrem Konzept der Lebensleistungsrente haben Sie viel Gegenwind erfahren, gerade aus den eigenen Reihen. Wie viel wird von Ihrem Rentenkonzept noch übrig bleiben?

Von der Leyen Das Rentenpaket umfasst Verbesserungen für Mütterrenten, Geringverdiener, Erwerbsgeminderte und ältere Arbeitnehmer. Alles zusammen ist schlüssig. Das Grundprinzip der Lebensleistungsrente, dass Geringverdienern, die jahrzehntelang in die Rente einzahlen, am Ende eine Chance auf eine eigene Rente — sei es durch einen Zuschuss — haben müssen, wird das zentrale Herzstück jeder Rentenreform sein.

Werden Sie die Rentenreform noch vor der Wahl auf den Weg bringen können?

Von der Leyen Ich mache mir keine Illusionen über die Mehrheitsverhältnisse im Bundesrat. SPD und Grüne haben bei uns zwar das Prinzip der Lebensleistungsrente abgeschrieben, wollen drum herum aber einen großen Kranz von zusätzlichen Regelungen, etwa zur Aufweichung der Rente mit 67. Das SPD-Rentenkonzept kostet 90 Milliarden Euro. Da sehe ich kein Zusammenkommen. Mir ist aber wichtig, dass wir uns als Regierung positionieren.

Das ist ja auch noch nicht gelungen.

Von der Leyen Die Komponenten stehen, aber in einem seriösen Konzept geht es auch um Finanzierung. Darüber diskutieren wir zur Zeit.

Bleibt Ihr politisches Schicksal mit dem Gelingen des Rentenkonzepts verknüpft?

Von der Leyen Ich habe sehr deutlich gemacht, dass ich erwarte, dass meine Partei und die Regierung das Problem der in Zukunft drohenden Altersarmut angehen. Das ist inzwischen geschehen: Es gab einen Beschluss des Koalitionsausschusses und des Parteitages für die Lebensleistungsrente. Auch wenn das Problem heute klein ist, wir stehen in der Verantwortung, dass es für spätere Generationen lösbar wird. Bei Rentenpolitik braucht man immer einen langen Atem.

Birgit Marschall und Eva Quadbeck stellten die Fragen.

(qua)
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