Premier Manuel Valls besucht Deutschland Keine Gnade für den französischen Patienten

Für den französischen Premier Manuel Valls muss es klingen wie eine Erniedrigung: Im Vorfeld seines Besuchs in Berlin überbieten sich Unions-Politiker mit scharfer Kritik an der Pariser Wirtschaftspolitik. Auf keinen Fall dürfe Merkel im Reformdruck nachlassen. Außenpolitiker warnen genau davor.

 Kanzlerin Angela Merkel begrüßte Frankreichs Premier Manuela Valls am Montagmittag zu einem Arbeitsessen in Berlin.

Kanzlerin Angela Merkel begrüßte Frankreichs Premier Manuela Valls am Montagmittag zu einem Arbeitsessen in Berlin.

Foto: afp, ej

In Frankreich und Deutschland setzt sich langsam etwas fest, das sich noch als gefährlich erweisen könnte: Dass die Franzosen wirtschaftlich zurückfallen, regelmäßig die Defizitkriterien reißen und längst nicht mehr auf Augenhöhe agieren, zeigt wies sehr die Partnerschaft in Schieflage geraten ist.

So wird die Valls-Visite etwa in Frankreich von der Opposition als erniedrigender Bittgang beim mächtigen östlichen Nachbarn gesehen. "Ich werde die Bundeskanzlerin um nichts bitten", musste der sozialistische Ministerpräsident vor wenigen Tagen vorsorglich betonen - und schob Deutschland publikumswirksam die Mitverantwortung für mehr Wachstum zu.

Reul mahnt radikale Reformen an

Als ob sie diesen demütigenden Eindruck noch vertiefen wollten, griffen Unionspolitiker im Vorfeld von Valls Besuch zum Schwert der Kritik, das in den französischen Medien dem Bild des deutschen Besserwissers Vorschub leisten dürfte: "Ich erwarte von der neuen französischen Regierung, dass sie nun endlich konsequent das Haushaltsdefizit reduziert", sagte der CDU-Europaabgeordnete Herbert Reul dem Nachrichtenportal "Spiegel Online" Es sei unverfroren, zu sagen: 'Mehr sparen geht nicht'. "Das ist ein Schlag ins Gesicht der Griechen oder Portugiesen, die Rentenkürzungen hinnehmen mussten."

Auch der Vizevorsitzende der Unions-Bundestagsfraktion, Andreas Schockenhoff (CDU), forderte Paris zu größeren Anstrengungen auf. "Es reicht nicht aus, wenn Frankreich seine Führungsrolle ausschließlich über die Außen- und Sicherheitspolitik definiert, die französische Regierung muss auch eine solide Wirtschafts- und Finanzpolitik betreiben", sagte der Vorsitzende der deutsch-französischen Parlamentariergruppe.

Ein Risiko für Europa

Der CSU-Finanzpolitiker Hans Michelbach kritisierte Paris als Risiko für ganz Europa: "Die zweitgrößte Volkswirtschaft der EU ist inzwischen zum größten Gefahrenherd für den Euro geworden", sagte Michelbach dem Berliner "Tagesspiegel". Zudem wies er Valls' Aufforderung an Deutschland zurück, mehr zum Wachstum in der Euro-Zone beizutragen: "Deutschland braucht von einem der größten Schuldenmacher in der EU keine Nachhilfe in Wirtschaftspolitik."

Der Vorsitzende des Europaausschusses des Bundestags, Gunther Krichbaum (CDU), sagte zu "Spiegel Online", Valls sei in seiner jüngsten Regierungserklärung "die Erklärung schuldig geblieben, wie er den maroden französischen Staatshaushalt sanieren" wolle. "Daher ist jetzt keine Besuchsdiplomatie gefragt, um für den Aufschub der dringend notwendigen Reformen zu bitten." Vielmehr müsse Valls seine sozialistische Partei von den Reformen überzeugen. Der CDU-Wirtschaftspolitiker Christian von Stetten erklärte das Modell des französischen Sozialstaates für "gescheitert".

Vorsicht vor der Rechten

Diplomatischer zeigten sich hingegen Politiker von SPD und Grünen."Wir sollten durch unser Verhalten deutlich machen, dass wir die Anstrengungen anerkennen und von Besserwisserei absehen", sagte der sozialdemokratische Außenpolitiker Rolf Mützenich.

Die deutschen Gastgeber werden sich auf den Stationen Berlin, Hamburg und Stuttgart am Montag und Dienstag dennoch alle Mühe geben, hohe Wertschätzung für Valls zu zeigen, um die Stimmung in Frankreich nicht noch aufzuheizen.

"Die Bundesregierung kann kein Interesse daran haben, dass sich in Frankreich die politische Lage zuspitzt und der Front National an die Macht kommt", heißt es in Regierungskreisen", sagt Daniela Schwarz vom German Marshall Funds (GMF). Auch Grünen-Fraktionschef Anton Hofreiter warnte am Montag im ARD-Morgenmagazin davor, durch das Beharren auf strenger Sparpolitik die Rechtsextremen zu stärken.

Valls hat etwas gutzumachen

Dennoch wird Valls um Vertrauen werben müssen. Seit der Machtübernahme Hollandes ist allen Ankündigungen zum Trotz nichts passiert, was Anlass zur Hoffnung für die sieche Wirtschaft des Landes geben könnte. Nun muss Valls überzeugend erklären, dass die in Aussicht gestellten Strukturreformen wirklich ernst gemeint sind - trotz der Bitte um mehr Zeit beim Defizitabbau.

Zentrales Argument wird dabei sein, dass nicht nachlassender Reformwille Schuld am erneuten Aufschub sei, sondern das niedrige Wachstum und die sehr geringer Inflation in der EU, was auch die EZB zu Notmaßnahmen getrieben habe. Der Hinweis auf äußere Umstände soll es Deutschland erleichtern, Nachsicht mit Frankreich zu haben.

(AFP REU dpa)
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