Margot Honecker Noch einmal DDR am Grab

Santiago de Chile · Die Trauerfeier für die eiserne Lady der DDR, Margot Honecker, ist auch eine Reise zurück in die Vergangenheit. Am Grab in Chile sind Kommunisten dabei, die DDR-Fahne ist präsent. Und auch die Internationale erklingt.

Trauerfeier für Margot Honecker in Chile
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Trauerfeier für Margot Honecker in Chile

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Foto: dpa

In dem Trauersaal ist für 45 Minuten noch einmal die untergegangene DDR sehr präsent. Rund 50 Trauergäste haben sich im Parque del Recuerdo am Rande Santiago de Chiles versammelt. Es ist ein besonderer Friedhof. Weitläufig, mit Bächen und Seen, viel Natur. Der Abschied, der hier begangen wird, ist kein alltäglicher.

Ein Sarg mit der Leiche Margot Honeckers ist aufgebahrt, bedeckt mit einer großen DDR-Fahne und roten Nelken. Zeitlebens hat die Witwe des früheren DDR-Staats- und SED-Parteichefs Erich Honecker die DDR als das bessere System verteidigt. "Ruhe in Frieden, Mama. Wir werden dich vermissen", sagt Tochter Sonja nach Angaben von Trauergästen.

Journalisten und Fotografen werden von der Zeremonie am Samstag ferngehalten. Die Kommunistische Partei (KP) Chiles gedenkt Honecker mit einem großen Kranz. Im Beisein der Tochter war Margot Honecker im Alter von 89 Jahren am Freitag gestorben, seit 1992 lebte sie im chilenischen Exil. Am Montag soll der Leichnam eingeäschert werden.

So wie bei ihrem bereits 1994 hier gestorbenen Mann Erich, dessen Urne unbemerkt von der Öffentlichkeit auf dem Zentralfriedhof in Santiago bestattet wurde, wie Enkel Roberto Yañez Honecker 2012 der "Bild"-Zeitung sagte - lange war vermutet worden, dass Margot die Urne zu Hause aufbewahrte. Auch Yañez ist zur Trauerfeier gekommen, genauso wie Chilenen, die nach dem Sturz des sozialistischen Präsidenten Salvador Allende 1973 in der DDR eine Exil-Heimat fanden.

Anwesende Weggefährten wie der Generalsekretär der KP Chiles, Andrés Lagos, würdigen sie als "Revolutionärin" und "antifaschistische Kämpferin". Mit der Gitarre wird am Ende das schlesische Volkslied "In dem Schneegebirge" aus dem 18. Jahrhundert gespielt, dann wird noch die Internationale intoniert. Es mutet an wie eine Zeitreise.

Im fernen Berlin ist von Trauer und Beileidsbekundungen sehr wenig zu hören. Die Linken-Führung lässt offiziell nichts verlautbaren, dafür umso mehr Opferverbände, die kritisieren, dass sie für ihr Handeln als DDR-Ministerin für Volksbildung (1963-89) nie zur Rechenschaft gezogen worden sei. Die Staatsanwaltschaft ermittelte wegen ihrer Verantwortung für Zwangsadoptionen von Kindern, deren Eltern wegen "Republikflucht" verhaftet worden waren. Das wurde aber eingestellt.

Der Bundesbeauftragte für die Stasi-Unterlagen, Roland Jahn, fordert eine Aufarbeitung ihres Handelns als Teil des DDR-Unrechts. Ihre Opfer seien Kinder und Jugendliche, die aus Familien herausgerissen und in Jugendwerkhöfe eingewiesen wurden. "Sie war bis zum Tod eine böse, verstockte Frau", meint der Leiter der Stasi-Gedenkstätte, Hubertus Knabe.

Die als starrsinnig geltende "First Lady" der DDR lebte seit Anfang der 1990er Jahre mit deutscher Rente in Santiago, ab und an ließ sie sich noch bei Feiern der KP blicken, oder wie 2011 an der Seite von Kubas Staatschef Raúl Castro. Aber die Zeiten ändern sich.

Castro hat das Kriegsbeil mit den USA begraben - und in Lateinamerika fallen die linken Projekte wie Dominosteine um - so ist das von Hugo Chávez begründete Projekt eines "Sozialismus des 21. Jahrhunderts" in Venezuela völlig aus dem Ruder gelaufen, das Land steht vor dem Ruin.

Trotz ihrer Abneigung gegen das "andere Deutschland" erstritt sie vor dem Bundessozialgericht noch mehrere tausend Mark Nachzahlungen. Die am 17. April 1927 in Halle geborene Margot Feist hatte nach dem Krieg eine SED-Bilderbuchkarriere hingelegt. Mit 22 war sie die jüngste Abgeordnete in der Volkskammer. So lernte sie Erich Honecker kennen, 1953 heirateten sie. Schon 1951 wurde Tochter Sonja geboren, die einen Exil-Chilenen heiratete, daher die Verbindung nach Südamerika.

Sie galt als heimliche Machthaberin

Erich Honecker folgte seiner Frau - nach Einstellung des Prozesses gegen ihn - 1993 nach Chile nach, bereits schwer krank. Die Stasi verteidigte sie als legitim, mit Blick auf erschossene Flüchtlinge meinte sie, es sei dumm gewesen, über die Mauer zu klettern.

Sie galt als heimliche Machthaberin; ihren Mann soll sie wie eine Marionette geführt haben - und noch 1989, kurz vor dem Mauerfall, hatte sie als Ministerin in einer Erziehungsrichtlinie verfügt, dass der Sozialismus, wenn nötig, mit der Waffe verteidigt werden müsse.

Die letzten Jahre verbrachte sie zurückgezogen. Ihre Trauerfeier im Parque del Recuerdo wirkte auch wie eine erneute Beerdigung der DDR, einer Idee, an die zumindest viele der Trauergäste bis heute glauben.

(dpa)
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