Kanzlerkandidat der SPD Das steht auf der Agenda von Martin Schulz

Berlin · Wofür steht der künftige SPD-Kanzlerkandidat? Bisher war der Ausblick stark verengt. Nach und nach bekennt Schulz nun Farbe.

Das ist Martin Schulz, SPD-Kanzlerkandidat 2017
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Das ist Martin Schulz

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Die SPD befindet sich in einem wahren Martin-Schulz-Taumel. Mehr als 1800 Parteieintritte seit Bekanntgabe seiner Kanzlerkandidatur in der vergangenen Woche lösen für Euphorie bei den Genossen aus. Derweil bleibt jedoch die Frage im Raum, wofür Schulz innenpolitisch eigentlich steht. Nach seiner Antrittsrede am Sonntag, diversen TV-Auftritten und einer Pressekonferenz gestern in Berlin kommt mehr Licht ins Dunkel. Ein Überblick über die (bisher bekannte) Agenda des Martin Schulz:

Steuern und Finanzen Soziale Gerechtigkeit steht für Martin Schulz an erster Stelle. Für die Steuer- und Finanzpolitik bedeutet das aus seiner Sicht, dass die Steuerflucht von Wohlhabenden und Unternehmen härter bekämpft werden muss. Schulz plädiert - wie Noch-Parteichef Sigmar Gabriel - für Investitionen in Infrastruktur und Bildung, statt Haushaltsüberschüsse für Schuldentilgung oder Steuersenkungen aufzuwenden. Schulz sagte gestern, dass "Riesenvermögen" höher belastet werden müssten als kleine und mittlere. Er sprach sich dafür aus, die pauschale Abgeltungsteuer von 25 Prozent auf Kapitalerträge abzuschaffen. Schulz lobte SPD-Vorschläge für eine weitere Reform der Erbschaftsteuer anstelle einer Vermögensteuer.

Arbeitsmarkt und soziale Sicherheit In den vergangenen Tagen lobte Schulz die Einführung des Mindestlohns, plädierte für eine Erhöhung der Tariflöhne vor allem in sozialen Berufen und kündigte an, sich für das Prinzip "gleicher Lohn für gleiche Arbeit" einzusetzen. Die Tarifpartner dürften nicht gegeneinander ausgespielt werden, sagte Schulz. Er wolle das von Gabriel reparierte gute Verhältnis der SPD zu den Gewerkschaften fortsetzen. Zugleich sagte er, dass die Kanzlerschaft Gerhard Schröders Deutschland gutgetan habe. Dessen Agenda-Politik war jedoch einst der Grund für den Bruch zwischen Genossen und Gewerkschaftern. Kritik dazu kam von FDP-Chef Christian Lindner. "Herr Schulz hat eine lange Liste neuer Ausgabenwünsche vorgelegt, aber wenig zum Erwirtschaften unseres Wohlstands gesagt", sagte Lindner der "Welt".

Bildung Gebührenfreiheit von der Kita bis zum Studium, das ist Schulz' Kernforderung in der Bildungspolitik bisher. Er wolle für mehr Chancengerechtigkeit beim Zugang zu Bildung sorgen. Als gelernter Buchhändler sei es ihm wichtig, dass dabei die musische Bildung und die Investitionen in Bibliotheken und Theater nicht vergessen würden, sagte Schulz.

Innere Sicherheit In seiner einstündigen Antrittsrede am Sonntag hatte Schulz sein Verständnis von Sicherheitspolitik auf diese Formel gebracht: eine Null-Toleranz-Politik mit Augenmaß. Wer in Deutschland straffällig werde und sich nicht an die Regeln halte, werde die volle Härte deutscher Gesetze und der Sicherheitsbehörden spüren, sagte Schulz. Er wolle entschieden gegen Rassisten, Extremisten und Populisten kämpfen, für Terror gebe es keine Rechtfertigung, so der 61-Jährige. Dafür brauche es mehr Präventionsarbeit. Schulz verurteilte eine neoliberale Ideologie der vergangenen Jahrzehnte, die zu einer immer schwächeren Polizei geführt habe. Gleichzeitig warnte er davor, im Zuge populistischer Politik die Rechtsstaatlichkeit auszuhebeln.

Außen- und Flüchtlingspolitik Schulz, der in dieser Woche sein EU-Parlamentsmandat niederlegen wird, forderte mehr Solidarität etwa in der Flüchtlingspolitik und drohte mit finanziellen Konsequenzen bei der nächsten EU-Finanzplanung. Schulz begrüßte die EU-Beitrittsverhandlungen mit der Türkei und forderte ein europäisches Einwanderungsgesetz. Bei den Finanzbeziehungen machte er deutlich, dass für ihn die Debatte um die umstrittenen Euro-Bonds (gemeinsame Staatsanleihen), für die er sich einst ausgesprochen hatte, erledigt sei. "Wir haben den europäischen Stabilitätsmechanismus eingeführt, indem mehrere Hundert Milliarden Euro eingelegt worden sind zur Sicherung des Währungssystems. Damit hat sich die Bonds-Debatte erledigt", sagte Schulz gestern in Berlin.

Umwelt- und Klimaschutz Die Grünen warfen Schulz vor, zu diesem Kapitel nicht genug geliefert zu haben. Schulz nannte den Umweltschutz die zentrale Aufgabe der heutigen Generation. Er lobte den Abschluss internationaler Klimaabkommen und plädierte dafür, "den Landschafts- und den Tierschutz endlich ernst zu nehmen". Zu umstrittenen Themen wie dem Kohle-Ausstieg sagte er nichts.

Digitalisierung Schulz nannte es in seiner Rede absurd, dass ein Viertel der Bürger, die im ländlichen Raum lebten, keinen oder nur schlechten Zugang zum Internet hätten. Er mahnte mehr Investitionen an. Aber es brauche auch Regeln, sagte Schulz. Er warb für eine Grundrechte-Charta für die digitale Welt, um die Pluralität und den Schutz des Einzelnen im Netz zu bewahren.

(jd)
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