Martin Schulz Ein Lächeln zum gefährlichen Spiel

Berlin · Wieder sitzen die Chef-Verhandler von CDU, CSU und SPD über letzten strittigen Punkten. Besonders Martin Schulz muss viel taktieren.

 Alle Augen schauen auf ihn: Was macht SPD-Chef Martin Schulz?

Alle Augen schauen auf ihn: Was macht SPD-Chef Martin Schulz?

Foto: dpa, nie gfh

Zauberei? Nein, Handwerk. Es geht um die Kunst des Knotenlösens. Eine unsichtbare Hand wäre jetzt gefragt. Oder eine durchgreifende Idee. Martin Schulz muss an diesem zweiten Verlängerungstag der Koalitionsgespräche zum Auswärtsspiel. Finale furioso im Konrad-Adenauer-Haus, der CDU-Zentrale. Schulz ahnt: Dieser "Tag der Entscheidung", wie er es sagt, kann auch für ihn, den SPD-Vorsitzenden, zu einem Tag der Entscheidung werden. Er muss darauf bauen, dass es klappt mit dieser nächsten großen Koalition, die er zunächst nicht wollte, aber nun wollen muss. Weil Jamaika platzte und der Bundespräsident unmissverständlich deutlich machte, dass viel verhandelt werden müsse, bis es Neuwahlen gebe.

Schulz sitzt in der Patsche

Schulz sitzt seitdem tief in der Patsche. Er gilt nach all den verlorenen Wahlen ohnehin als angezählt, die Kehrtwende im vollen Anti-Groko-Galopp brach ihm intern fast den Hals. Was er braucht, ist Stabilität. Und so bemüht er das Wort ebenso gern wie die Kanzlerin in einem Satz mit der großen Koalition. Er setze auf eine "stabile Regierung für die Bundesrepublik Deutschland", so Schulz. Er muss mit einem Koalitionsvertrag auch noch durch den Mitgliederentscheid der SPD. Und die Basis ist rebellisch, sie kann das Kartenhaus am Ende durchaus noch zum Einsturz bringen. Wetten will jedenfalls niemand.

Angela Merkel hat es da mit den eigenen Leuten leichter, auch wenn die Abstimmung mit der CSU mitunter schwierig ist. An diesem Dienstag ist sie aber vor allem Hausherrin für diverse Formate, in denen die Koalitionäre wieder tagen. Die 15er-Spitzenrunde der Entscheider sitzt fast dauerhaft zusammen, hält die Fäden in der Hand. Am Morgen dieses zweiten Verlängerungstages hat Merkel noch gesagt, dass es schmerzhaft werden könnte. Aber bitte, es gehe um Deutschland, um den Wirtschaftsstandort. Und am Beispiel der "unruhigen Börsenentwicklungen der letzten Stunden" sei doch zu sehen, dass gerade von den Volksparteien CDU, CSU und SPD erwartet werden könne, "zum Wohle der Menschen eine Regierung zu bilden". Wie das gehen soll? "Jeder von uns wird schmerzhafte Kompromisse noch machen müssen." Auch sie selbst sei dazu bereit, aber wenn "die Vorteile zum Schluss die Nachteile überwiegen", werde sie einschlagen in diesen Koalitionsvertrag mit der SPD - und der Schwesterpartei CSU. Deren Landesgruppenchef Alexander Dobrindt appelliert: "Heute muss das was werden." Die Koalitionäre setzten sich selbst unter Zugzwang, stets die imaginäre Ungeduld des Wählers im Nacken. Einmal werden sie noch wach, dann ist ein Koalitionsvertrag unter Dach und Fach. Also alle raus "aus ihren Schützengräben", so Dobrindt. "Die Stunde der Wahrheit, die naht." Auch SPD-Chef Martin Schulz spricht von einem "Tag der Entscheidung". Seine politische Zukunft ist an diesen Vertrag geknüpft, das gilt als sicher.

"Ich schließe nichts aus"

Hessens Ministerpräsident Volker Bouffier hat ihm als ein Haudegen in Koalitionsgesprächen reichlich Erfahrung voraus. Scheitern ausgeschlossen? "Ich schließe überhaupt nichts aus", sagt der CDU-Politiker mit Pokermiene. Irgendjemand hat noch ein Ass im Ärmel: unbegründete Befristung von Arbeitsverhältnissen, Ausstieg aus der Zwei-Klassen-Medizin, Regelung künftiger Rüstungsexporte. Bouffier sagt, der SPD-Sonderparteitag habe uns "ins Grundbruch geschrieben, dass wir was mitbringen müssen". Auf der anderen Seite habe auch die Union einen Wählerauftrag. Den Bürgern sei es am Ende "wurscht, ob die CDU oder die SPD sich durchgesetzt hat". Kanzleramtschef Peter Altmaier ist schon einen Tag weiter. "Heute fertig werden, morgen ein gutes Ergebnis haben", sagt er.

Und auch in der SPD denkt man voraus. Mit Blick auf die unglückliche Figur, die Schulz und andere Genossen nach dem Ende der Sondierungen abgaben, als sie die Ergebnisse mit wenig Schwung verkauften oder Nachverhandlungen forderten, sagt ein Genosse: "Es muss Schluss sein mit der ewigen Weinerlichkeit und Selbstkasteiung. Es geht darum, sich mit Verve hinter die vielen Verhandlungserfolge zu stellen und sie umzusetzen." Daneben läuft längst die Personaldebatte. Eine der zentralen Fragen: Besitzt Schulz die Chuzpe, trotz gegenteiliger Beteuerungen ein Ministeramt anzustreben? Und wenn ja: Welche Lösung wird es für den Konflikt zwischen ihm und Sigmar Gabriel geben? Gabriel ist umstritten, viele - darunter Schulz selbst - sind genervt von ihm und seinen Einwürfen vom Seitenaus. Gleichzeitig, und das stellte Gabriel dem Vernehmen nach auch in den Verhandlungen unter Beweis, ist der frühere SPD-Chef ein politisches Ausnahmetalent, auf das zahlreiche Genossen nicht verzichten wollen. Am Tag 135 nach der Bundestagswahl ist jedenfalls eines gewiss: Klappt es mit der Koalition, ist es mindestens für die SPD ein gefährliches Spiel.

(jd/hom)
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