Antrittsbesuch in Berlin Renzi erklärt Merkel, warum er nicht mehr eisern spart

Italiens neuer Regierungschef Matteo Renzi will sein hoch verschuldetes Land mit ehrgeizigen Reformen aus der Krise führen. Am Montag besuchte er Kanzlerin Merkel in Berlin. Nach der ersten Begegnung sprach die ihm Mut für die kommenden Aufgaben zu, blieb aber in der Sache unerbittlich.

Matteo Renzi stellt sich erstmals in Berlin vor
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Die Themen Krim-Krise und Italiens Wirtschaftslage haben den Antrittsbesuch des neuen italienischen Ministerpräsidenten Matteo Renzi in Berlin geprägt. Kanzlerin Angela Merkel begrüßte den Gast aus Rom am Montag mit militärischen Ehren. Renzi wollte Merkel das Reformkonzept erläutern, mit dem der sozialdemokratische Politiker Italien aus der Krise führen will.

Vor allem Arbeitnehmer, die monatlich 1500 Euro oder weniger verdienen, sollen davon profitieren und netto rund 1000 Euro mehr im Jahr haben. Außerdem stellte Renzi 3,5 Milliarden Euro für die Schulen des Landes in Aussicht. Der Regierungschef will die Ausgaben unter anderem durch Einsparungen bei den Staatsausgaben ausgleichen. Renzi versicherte, dabei die EU-Defizitgrenze von maximal 3 Prozent des Bruttoinlandsproduktes einhalten zu wollen.

Am Samstag hatte Renzi bereits mit Frankreichs Präsident François Hollande in Paris konferiert. Der sozialistische Präsident steht Renzi nicht nur parteipolitisch näher als die christdemokratische Bundeskanzlerin. Auch im Kampf gegen eine zu harte Sparpolitik und für mehr Wachstumsimpulse dürfte sich der Italiener bei Hollande heimischer fühlen als bei Angela Merkel. So könnte ihn seine selbstbewusst angegangene Politik mit ehrgeizigen Plänen zur Steuersenkung gleich zu Beginn auf Kollisionskurs zu Berlin und Brüssel bringen.

Matteo Renzi übergibt Angela Merkel Trikot von Mario Gomez
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Berlin wird im hoch verschuldeten Italien aber als Hüter einer zu rigiden Sparpolitik gesehen. Renzi kündigte erst einmal Steuererleichterungen an - 10 Milliarden Euro für geringer verdienende Arbeitnehmer, 2,4 Milliarden bei der Körperschaftssteuer. Bislang ist unklar, wie das finanziert werden soll.

Renzi will 6,4 Milliarden Euro durch eine Erhöhung des diesjährigen Staatsdefizits von 2,6 Prozent auf den zulässigen Grenzwert von 3 Prozent des Bruttoinlandsprodukts hereinholen. "Er wird die Kanzlerin davon überzeugen müssen, dass dies heute richtig für Italien ist, weil es den Weg ebnet für den nächsten Satz an Reformen zu Arbeit und Bürokratie", meinte die Zeitung "La Repubblica".

Merkel sagte in einer ersten Stellungnahme, sie habe "nicht den geringsten Grund", am Reformwillen der italienischen Regierung zu zweifeln. Die Pläne für einen Strukturwandel seien "eine Botschaft, die wir alle begrüßen". "Jetzt wünsche ich Erfolg, dass Tag für Tag diese Reformen durchgesetzt werden. Dann wird das die Wirkung nicht verfehlen. Das Glas ist halb voll, und die italienische Regierung arbeitet daran, dieses Glas zu füllen."

Renzi versicherte: "Italien möchte nicht abweichen von den Regeln des Maastricht-Vertrags." Dies gelte insbesondere für das Drei-Prozent-Defizitkriterium. Die zusätzlichen Ausgaben will der Regierungschef unter anderem durch Einsparungen an anderer Stelle ausgleichen. "Europa ist kein Feindbild", sagte der Ministerpräsident. "Europa ist nicht die Wurzel des Übels, sondern die Lösung der Probleme."

Für Merkel bleibt die Haushaltskonsolidierung aber oberstes Gebot. Um die Netto-Neuverschuldung in Deutschland auf Null zu senken, hat sie auch im Wahlkampf im vorigen Sommer der Versuchung widerstanden, trotz bester Steuereinnahmen-Entwicklung und trotz Drucks des CDU-Wirtschaftsflügels eine Senkung von Steuern ins Auge zu fassen.

Premier Renzi wurde am Montag von mehreren Ministern begleitet, die im Rahmen der 30. deutsch-italienischen Regierungskonsultationen mit ihren Berliner Amtskollegen zusammentrafen. Außenminister Frank-Walter Steinmeier wollte mit seiner neuen Kollegin Federica Mogherini auch über Konsequenzen aus der Arbeit der deutsch-italienischen Historikerkommission sprechen.

Zudem sollten auf deutscher Seite die Minister für Verteidigung, Finanzen, Wirtschaft, Arbeit und Verkehr an den Konsultationen teilnehmen. Zum Abschluss der Gespräche war ein gemeinsames Abendessen mit Wirtschaftsvertretern vorgesehen.

Als Gastgeschenk brachte Renzi der Bundeskanzlerin ein ganz besonderes Präsent aus seiner Heimat mit: In Berlin übergab er seiner deutschen Kollegin ein Trikot des Fußball-Nationalspielers Mario Gomez mit einem Autogramm des Spielers. Gomez spielt seit Saisonbeginn beim AC Florenz, Renzi war bis zu seinem Amtsantritt als Regierungschef vor zwei Wochen Bürgermeister von Florenz.

Der 39-jährige Renzi ist seit Ende Februar im Amt. Er hatte seinen Vorgänger Enrico Letta aus dem Amt gedrängt. Beide gehören der Demokratischen Partei (Partito Democratico) an. Renzi hat rasche Reformen versprochen, um Italiens Wirtschaft nach der längsten Rezession der Nachkriegszeit anzukurbeln. Er will von Mai an zehn Millionen Italiener bei der Lohnsteuer entlasten. Dabei geht es um Erleichterungen in Höhe von zehn Milliarden Euro.

(dpa sid)
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