Reaktionen auf Wahl in Mecklenburg-Vorpommern "Vielleicht ist das der Anfang vom Ende der Kanzlerschaft Merkel"

Schwerin · Aus der Landtagswahl in Mecklenburg-Vorpommern ist die SPD von Regierungschef Erwin Sellering am Sonntag ersten Hochrechnungen zufolge als stärkte Kraft hervorgegangen - gefolgt von der AfD auf Platz zwei. Wir haben die Stimmen aus Politik und Gesellschaft zum Ergebnis gesammelt.

 Der Spitzenkandidat der SPD, Ministerpräsident Erwin Sellering.

Der Spitzenkandidat der SPD, Ministerpräsident Erwin Sellering.

Foto: dpa, pgr fux

Die SPD kommt laut den Hochrechnungen für ARD und ZDF auf 30,2 bis 30,4 Prozent, die AfD erreicht aus dem Stand 21,0 beziehungsweise 21,4 Prozent und überflügelt damit die mitregierende CDU, die mit 19,2 bis 19,8 Prozent ihr historisch schlechtestes Landesergebnis einfährt. Die Linkspartei erhält demnach 12,5 bis 12,6 Prozent, die Grünen müssen mit 5,0 Prozent um den Wiedereinzug bangen, während die rechtsradikale NPD mit 3,2 bis 3,3 Prozent ausscheidet und die FDP mit 2,9 beziehungsweise 3,0 Prozent erneut an der Fünf-Prozent-Hürde scheitert.

Nach dem Wahlsieg seiner SPD hat sich Regierungschef Erwin Sellering erfreut gezeigt. "Das ist ein tolles Ergebnis", sagte Sellering in Schwerin. Seine Partei stehe am Ende des "schwersten Wahlkampfs, den die SPD hier zu führen hatte". Er wolle nun bezüglich der anstehenden Koalitionsgespräche "ganz genau schauen", fügte er ohne weitere Details hinzu. Angesichts des starken Abschneidens der AfD, die auf Platz zwei vor der CDU landete, mache er sich "große Sorgen", sagte Sellering.

SPD-Chef Sigmar Gabriel lobte in Berlin, die Sozialdemokraten in Mecklenburg-Vorpommern hätten "Kurs gehalten, obwohl die SPD da oben schon abgeschrieben wurde von manchen Kommentatoren".

Die nordrhein-westfälische Ministerpräsidentin Hannelore Kraft (SPD) sieht "einen klaren Auftrag zur Regierungsbildung" für die SPD. Ministerpräsident Erwin Sellering habe in den letzten Wochen eine "kontinuierliche Aufholjagd" hingelegt, teilte die SPD-Landesvorsitzende mit. "Bei der Betrachtung des Ergebnisses bin ich gespannt auf die Diskussionen innerhalb der Union."

Nach Einschätzung des stellvertretenden SPD-Bundesvorsitzenden Ralf Stegner ist der Sieg der AfD auf politische Fehler der Bundeskanzlerin zurückzuführen. Er sprach von einer "schweren persönlichen Niederlage" von Angela Merkel, "Als drittstärkste Kraft hinter der AfD zu landen, hinterlässt Zweifel an der Regierungsfähigkeit und ist ein schwerer Schlag für die Konservativen. Das Fischen in braunen Gewässern, wenn es sich zu lohnen schien, rächt sich am heutigen Wahlabend", erklärte Stegner.

Der AfD-Spitzenkandidat in Mecklenburg-Vorpommern, Leif-Erik Holm, hält den Wahlerfolg seiner Partei für historisch. "Wir schreiben hier in Mecklenburg-Vorpommern Geschichte", sagte der frühere Radiomoderator am Sonntagabend in Schwerin. "Es ist das Sahnehäubchen, die CDU von Platz zwei zu verdrängen." "Vielleicht ist das heute der Anfang vom Ende der Kanzlerschaft Angela Merkels", sagte Holm. "Das muss unser Ziel sein." Mecklenburg-Vorpommern sei das neunte Bundesland mit einer AfD-Fraktion im Landtag. Holm kündigte eine konstruktive Mitarbeit im Parlament an, "in welcher Konstellation auch immer".

Petry: Die anderen haben den Bürgern zu lange nicht zugehört

Die AfD-Bundesvorsitzende Frauke Petry sieht im Erfolg vor allem ein Signal gegen die bisherigen Landtagsparteien. Die AfD habe aus allen Parteien Wähler für sich gewinnen können, sagte Petry. "Das liegt daran, dass sie die Wähler zu lange nicht gehört haben", sagte sie. Dass ein Teil der Wähler von der NPD zur AfD gewandert ist, wollte sie nicht als Problem sehen. Petry betonte, die "katastrophale Migrationspolitik" von Kanzlerin Angela Merkel (CDU) habe auch im Nordosten andere Politikfelder überschattet. "Wir haben die CDU in die Schranken verwiesen", indem die AfD aus dem Stand vor der bisherigen Regierungspartei gelandet ist. Man wolle nun in Schwerin "gute Oppositionsarbeit" leisten, eine Fundamentalopposition werde es nicht geben, kündigte Petry an.

CDU-Generalsekretär Peter Tauber führt die schwere Schlappe seiner Partei auf weit verbreiteten "Unmut und Protest" in der Bevölkerung zurück. Dies habe offensichtlich zu großen Teilen "mit der Diskussion über die Flüchtlinge" zu tun, sagte er am Sonntagabend in Berlin. "Dieses Ergebnis und das starke Abschneiden der AfD ist bitter", sagte Tauber.

Der CDU-Abgeordnete Wolfgang Bosbach sieht im Ausgang der Wahl einen "herben Rückschlag" für seine Partei. Dem Berliner "Tagesspiegel" sagte er: "Das ist schon deshalb ein bitteres Ergebnis für uns, weil die CDU in Mecklenburg-Vorpommern der Heimatverband der Kanzlerin ist."

Die Linkspartei konnte sich bei der Landtagswahl nach Aussage von Bundestags-Fraktionschef Dietmar Bartsch nicht als Alternative zur Politik auf Landes- und Bundesebene profilieren. Das Abschneiden der Linken in Schwerin sei bitter und ein schlechtes Ergebnis, sagte Bartsch am Sonntagabend im ZDF. Die AfD habe es geschafft, Spaltung ins Land zu bringen. "Es ist unsere Aufgabe klarzumachen, wir sind die soziale Alternative", sagte Bartsch. Die AfD sei eine zutiefst neoliberale Partei. "Die Linke hat Angebote." Es sei aber offensichtlich den Linken nicht gelungen, dies deutlich zu machen. Die Partei war um sechs Punkte auf etwa 12,5 Prozent gestürzt - ihr ostweit schlechtestes Ergebnis seit 25 Jahren.

Grünen-Chef Cem Özdemir hat davor gewarnt, das gute Abschneiden der AfD allein mit der Unzufriedenheit über die Flüchtlingspolitik zu begründen. Alle demokratischen Parteien hätten verloren, sagte Özdemir am Sonntagabend im ZDF. Er warnte davor, jetzt einfach Kanzlerin Angela Merkel die Schuld zu geben. Die Flüchtlingspolitik hätten schon alle gemeinsam so gewollt, und alle müssten ihren Anteil und ihre Verantwortung übernehmen. Ein großer Teil des Frustes, der der AfD geholfen habe, sei auch auf den Stil der Koalitionäre von Union und SPD im Bund zurückzuführen, die sich wie die "Kesselflicker" stritten: "Das ist ja keine Koalition, das ist eigentlich eine Streitgemeinschaft, die sich da gebildet hat. Das ist Politik zum Abgewöhnen", sagte Özdemir.

Der FDP-Vorsitzende Christian Lindner hat das Wahlergebnis der Liberalen als Rückschlag auf dem Weg in die Parlamente bezeichnet. "Das ist eine Niederlage heute, ganz klar", sagte der Chef der seit 2013 auch nicht mehr im Bundestag vertretenen Partei am Sonntagabend in Berlin. Die FDP war im Nordosten erneut an der Fünf-Prozent-Hürde gescheitert. Immerhin habe man "nicht an die AfD verloren", allerdings auch nicht die klare Abgrenzung von der Flüchtlingspolitik der Bundesregierung vermitteln können, sagte Lindner.

Der baden-württembergische FDP-Fraktionschef Hans-Ulrich Rülke gibt Merkel die Schuld am Erfolg der AfD. Das Wahlergebnis sei vollständig von ihrer Flüchtlingspolitik überlagert. "Frau Merkel schickt sich mit ihren Fehlern und ihrer Sturheit an, die Radikalen immer stärker zu machen. Nun hat sie es offensichtlich geschafft, dass im ersten Bundesland die AFD sogar die CDU überholt", sagte Rülke am Sonntagabend in Stuttgart.

(felt/dpa)
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