Zweifel an der Qualität der Kinderbetreuung Mehr Schein als Sein beim Kita-Ausbau?

Düsseldorf · Der 1. August ist ein wichtiger Tag. Ein Stichtag. Für Familien mit Kindern und für Familienministerin Schröder. Denn dann ist klar, ob es ausreichend Kita-Plätze für unter Dreijährige gibt. Skepsis bleibt – besonders bei der Qualität der Betreuung.

Zahl der Kinder in Kitas nach Bundesländern
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Foto: dpa, Caroline Seidel

Der 1. August ist ein wichtiger Tag. Ein Stichtag. Für Familien mit Kindern und für Familienministerin Schröder. Denn dann ist klar, ob es ausreichend Kita-Plätze für unter Dreijährige gibt. Skepsis bleibt — besonders bei der Qualität der Betreuung.

Die Zahlen zum Stand des Kita-Ausbaus, die Kristina Schröder am Donnerstag vorstellte, lasen sich gut. Die CDU-Politikerin und Bundesfamilienministerin verwies darauf, dass im Laufe des kommenden Kita-Jahres rund 813.000 Betreuungsplätze für Kinder unter drei Jahren zur Verfügung stünden. 30.000 mehr als ursprünglich geplant. Schröder feierte diese Entwicklung als großen Erfolg. Und für die vielen tausend Familien, die ihre Kinder im Sommer in einer dieser Einrichtungen unterbringen wollen, war es eine gute Nachricht.

Doch kurz nach Vorstellung der aktuellen Zahlen machte sich Skepsis breit. Bei Verbänden und der rot-grünen Opposition. Für eine erste Verstimmung in Reihen der Union sorgten die Zahlen des Statistischen Bundesamts. Das hatte bekannt gegeben, dass am 1. März dieses Jahres nur 597.000 Kinder einen Kita-Platz oder bei einer Tagesmutter gehabt hätten. Schröder erklärte umgehend, dass diese Zahl nicht den aktuellen Stand wiedergebe.

Kita-Stand "deutlich überzeichnet"

Zweifel am Stand des Ausbaus - und vor allem an der Qualität der Kinderbetreuung - scheinen angebracht. Der Deutsche Städtetag bewertete die Angaben der Länder zum Kita-Stand als "deutlich überzeichnet". Präsident Ulrich Maly (SPD) sprach im ZDF von einem "Bundeszahlenspiel".

Außerdem stehe ein großer Teil der in Planung befindlichen Kita-Plätze noch nicht zur Verfügung. Das berichtete die "Süddeutsche Zeitung" am Freitag unter Berufung auf ein internes Schreiben von Städtetag-Hauptgeschäftsführer Stephan Articus.

Skepsis beim Jugendinstitut

Im Gespräch mit der "Welt" zeigte sich auch der Direktor des Deutschen Jugendinstituts (DJI) in München, Thomas Rauschenbach, skeptisch. Ob die Plätze in den einzelnen Kommunen reichen, zeige sich erst nach dem 1. August. "Die Zahlen des Statistischen Bundesamtes, des Städtetages und des Bundes klaffen weit auseinander."

Die tatsächliche Zahl der momentan existierenden Kita-Plätze dürfte laut Rauschenbach irgendwo zwischen dazwischen liegen, vermutlich leicht oberhalb von 700.000. "Ich glaube nicht, dass die Politik angesichts dieser Zahlen zufrieden das Zielband durchreißen und jubeln kann: Wir haben den Kita-Ausbau erfolgreich bewältigt."

Mangel an Erziehern

Doch selbst wenn die Bundesregierung ihr Zeil erreicht, ergebe sich ein weiteres, gravierendes Problem: Der Rechtsanspruch auf einen Kitaplatz verschärft den Mangel an ausgebildeten Erziehern. Die Bundesagentur für Arbeit rechnet mit einer Lücke von 20.500 ausgebildeten Betreuern bis 2016. Das geht aus internen Unterlagen der Arbeitsagentur hervor, die der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" vorliegen.

Zudem hapert es laut Bericht auch an der Umschulung von arbeitslosen Kandidaten. "Wir haben derzeit 1500 Kandidatinnen in der Warteschleife", bestätigte eine Sprecherin der Bundesarbeitsagentur der Zeitung. Diese hätten alle einen Eignungstest gemacht, viele auch ein Schnupperpraktikum. Allerdings hätten einige Bundesländer bislang noch nicht die Voraussetzungen für die Weiterbildungsmaßnahmen geschaffen. Unter anderem fehlten die Kostenübernahme durch das Land für das dritte Ausbildungsjahr oder die Zertifizierung der Bildungsstätte.

Qualität nicht gewährleistet

Ähnlich kritisch schätzt der Kinderschutzbund die Lage ein. Der rasante Zuwachs an Kitas könne nicht mit gut ausgebildetem Personal aufgefangen werden. Die Sicherung der Qualität sei nicht gewährleistet. "Wenn wir jetzt mehr als 800.000 Betreuungsplätze für unter Dreijährige haben, (...) ist (das) ein atemberaubender Zuwachs", sagte der Präsident des Deutschen Kinderschutzbundes, Heinz Hilgers, der "Passauer Neuen Presse" am Freitag. Allerdings wären dann "60.000 Erzieherinnen und Erzieher zusätzlich notwendig", um die Qualität dieser Betreuungsplätze zu sichern.

"Mir kann niemand erzählen, dass man so viel Extra-Personal eingestellt hat", sagte Hilgers. "Das gibt der Arbeitsmarkt nicht her. Das ist ein Ding der Unmöglichkeit in so kurzer Zeit". Er gehe davon aus, "dass die Personalschlüssel heimlich, still und leise weiter verschlechtert worden" seien, was "einen massiven Qualitätsverlust" bedeute.

Wenn aber für pädagogische Arbeit keine Zeit mehr sei, könne man sich "all die Sonntagsreden von der frühkindlichen Bildung sparen". Als Konsequenz forderte Hilgers ein Bundesgesetz, das den Ländern klare Vorgaben für Personalschlüssel und Qualität macht.

(rpo/kna/dpa/afp)
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