Diskussion in der Koalition Mehrheit der Deutschen gegen Betreuungsgeld

Berlin · Die Deutschen lehnen laut einer Umfrage das umstrittene Betreuungsgeld ab. In einer Emnid-Befragung für das Magazin "Focus" sagten 76 Prozent der Befragten, die dafür vorgesehenen Gelder sollten besser in den Ausbau der Kita-Plätze fließen. Indes kommt auch die Koalition in Berlin im Streit um das 2013 geplante Betreuungsgeld nicht zur Ruhe. Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) machte erneut deutlich, dass sie die Leistung für verzichtbar hält.

 Familienministerin Kristina Schröder kritisierte das geringe Engagement der Länder.

Familienministerin Kristina Schröder kritisierte das geringe Engagement der Länder.

Foto: dapd

Der Umfrage zufolge wollten aber 20 Prozent an der geplanten Geldleistung für Familien, die ihre unter dreijährigen Kinder zu Hause betreuen, festhalten, berichtete "Focus" vorab am Freitag. TNS-Emnid befragte demnach für das Magazin Anfang April 1.008 repräsentativ ausgewählte Personen.

Kritik an den Ländern

Bundesfamilienministerin Kristina Schröder (CDU) kritisierte ein geringes Engagement und mangelnde Transparenz der Länder beim Krippen-Ausbau. Die Länder machten ein "richtiges Staatsgeheimnis" aus ihren Abweichungen von den Zielvorgaben, sagte Schröder "Focus". Es fehle ein wirksames Controlling, das die realen Fortschritte zeige, so Schröder. Sie bemängelte auch, dass die Länder zuerst alle Bundesmittel abrufen dürften und erst dann mit eigenem Geld in der Pflicht seien. "Das verlockt natürlich, mit den eigenen Anstrengungen länger zu warten als nötig."

Laut dem Kinderfördergesetz gibt es ab August 2013 einen Rechtsanspruch auf Betreuung für alle Ein- bis Dreijährigen in Kitas oder bei Tagesmüttern. "Am Rechtsanspruch wird nicht gerüttelt", betonte Schröder. Viele Kommunen und auch Länder werden den Anspruch aber nicht erfüllen können. Insbesondere Nordrhein-Westfalen und viele Kommunen dort werden die Versorgungsquoten verfehlen.

Laut einem "Focus" vorliegenden Überblick des Bundesfamilienministeriums schneidet der Kreis Mainz-Bingen beim Kita-Ausbau am besten ab und hat seine Betreuungsquote für Kleinkinder um 23 Prozent erhöht. Stark zugelegt haben demnach auch Städte wie Braunschweig, Erlangen und Dresden. Schlusslicht seien Wuppertal und Emden.

Der CDU-Generalsekretär in Nordrhein-Westfalen, Oliver Wittke, meinte unterdessen, die klassische Hausfrauen-Familie gehöre der Vergangenheit an. "Heute geht es nicht mehr um Familie oder Beruf. Heute ist die Antwort klar: Beruf", sagte er. Die Politik müsse neben dem Beruf auch Familie möglich machen. Norbert Röttgens oberster Wahlkampf-Manager warnte, das Betreuungsgeld dürfe nicht dazu führen, dass Kinder mit Defiziten von der Förderung in Kitas ferngehalten würden. "Dann sollte man das Betreuungsgeld besser gar nicht erst einführen."

Streit in der Koalition

Die Koalition kommt unterdessen im Streit um das 2013 geplante Betreuungsgeld auch über Ostern nicht zur Ruhe. Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) machte erneut deutlich, dass sie die vor allem von der CSU gewünschte Leistung für verzichtbar hält. Das Betreuungsgeld für Eltern, die ihre Kinder nicht in die Kita oder zur Tagesmutter schicken, "passt eigentlich nicht mehr in die Zeit", sagte sie dem "Spiegel". "Der Ausbau der Kinderbetreuung sollte angesichts der Unterfinanzierung Priorität haben."

Unions-Fraktionsvize Michael Kretschmer (CDU), der mit 22 anderen CDU-Abgeordneten mit der Ablehnung des Betreuungsgeldes gedroht hatte, sieht in der Debatte inzwischen eine Gefahr für die Koalition. Für ihn habe der Fortbestand der schwarz-gelben Bündnisses Vorrang vor einer Blockade des Betreuungsgeldes, sagte Kretschmer der "Leipziger Volkszeitung". Über die brisante Entwicklung seien er und seine Mitstreiter erschrocken. Sie hätten nicht geplant, mit ihrem Brief mit der Ablehnungsdrohung in die Zeitung zu kommen.

Nahles appelliert an Merkel

Indes hat SPD-Generalsekretärin Nahles an Kanzlerin Merkel appelliert, über Ostern in sich zu gehen und das Projekt noch zu stoppen. "Die Bundeskanzlerin hat sich hier auf eine Schnapsidee festgelegt", sagte Nahles. Merkels jüngster Versuch, ein Machtwort zu sprechen, habe quasi scheitern müssen. "Denn angesichts der Sinnlosigkeit des Projekts gehen der Kanzlerin immer mehr eigene Leute von der Fahne."

(dpa/afp/dapd)
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