Debatte um Atomausstieg Merkel geht auf Distanz zu Röttgen

Frankfurt/Main (RPO). Im koalitionsinternen Streit um Atomlaufzeiten geht Bundeskanzlerin Angela Merkel auf Distanz zu Bundesumweltminister Norbert Röttgen. Ein Atomausstieg bis 2030, wie Röttgen ihn nannte, sei lediglich seine "persönliche Überzeugung".

Norbert Röttgen: Der Werdegang des Politikers
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Der politische Werdegang von Norbert Röttgen

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Foto: dpa/Kay Nietfeld

Es gebe eine klare Verabredung in der Koalition, derzufolge das Umweltministerium und das Wirtschaftsministerium gemeinsam Szenarien zur Energieversorgung in Deutschland erstellen würden, sagte Merkels Sprecher Ulrich Wilhelm der "Welt am Sonntag".

"Auf dieser Grundlage wird dann im Herbst entschieden, wie lange die Kernenergie als Brückentechnologie gebraucht wird", wurde Wilhelm weiter zitiert. Alle Vorfestlegungen, bevor diese Szenarien vorlägen, seien "verfrüht".

Röttgen hatte zuvor in einem Interview mit der "Frankfurter Rundschau" gesagt, dass er mit einem Atomausstieg bis spätestens 2030 rechne. "Im Koalitionsvertrag steht: Die Atomkraft soll nur eine Brückenfunktion haben, bis die erneuerbaren Energien die Versorgung verlässlich und preislich wettbewerbsfähig übernehmen", sagte Röttgen dem Blatt. Sobald der Ökostromanteil von heute noch 16 auf 40 Prozent ansteige, "ist es soweit". Selbst nach den skeptischsten Schätzungen sei das 2030 der Fall.

Aus dem Kanzleramt hieß es, dieses Datum sei eine "persönliche Überzeugung" des Umweltministers. Zuletzt hatten die Unions-Ministerpräsidenten Roland Koch (Hessen) und Stefan Mappus (Baden-Württemberg) Röttgens Kurs scharf kritisiert und eine deutliche Verlängerung der AKW-Laufzeiten gefordert.

"Nur durch Argumente beeindrucken"

Röttgen verwahrte sich in dem Interview gegen die Vorwürfe seiner Widersacher, wonach er sich über die Linie der Partei- und der Regierung hinwegsetze. "Das stimmt nicht", sagte er. Die "Brückenfunktion" der Atomkraft sei im Koalitionsvertrag klar beschrieben worden, und mit der Förderung regenerativer Energien würden "originäre Anliegen der CDU und auch der FDP" berücksichtigt. Für diese Erkenntnis bräuchten manche vielleicht etwas länger, spottete er.

Der Bundesumweltminister erteilte seinen Länderkollegen eine herbe Abfuhr. "Ich lasse mich nur durch Argumente beeindrucken", betonte er. Die Bundesregierung arbeite an einem Gesamtkonzept für die langfristige energiepolitische Zukunft Deutschlands und "nicht an einem Modell für einzelne Kraftwerke".

Das Umweltbundesamt hält nach den Worten seines Präsidenten Jochen Flasbarth sogar schon in zehn Jahren den vollständigen Ausstieg aus der Atomenergie für realistisch. "Wir können den Anteil von 40 Prozent erneuerbaren Energien gut um das Jahr 2020 erreichen", sagte Flasbarth der "Süddeutschen Zeitung". "Das passt genau zum bisherigen Ausstiegsfahrplan." Voraussetzung sei allerdings, dass der Ausbau weiter gefördert und nicht gehemmt werde. Nach dem 2000 von der damaligen rot-grünen Koalition mit den Kraftwerksbetreibern vereinbarten Atomausstieg sollte ursprünglich im Jahr 2021 der letzte Reaktor vom Netz gehen.

Oettinger fordert zum Bau von Endlagern auf

Der neue EU-Energiekommissar Günther Oettinger forderte die Europäer derweil zum Bau von Atom-Endlagern auf. "Die Mitgliedstaaten müssen sich dringend um die Frage der Endlagerung kümmern", sagte Oettinger dem "Hamburger Abendblatt". "In Deutschland wurde die Erkundung von Gorleben nicht vorangebracht."

Oettinger kündigte eine EU-Verordnung zur Entsorgung von Atommüll an, die in diesem Jahr fertiggestellt werden soll. Über die Ausgestaltung soll in den kommenden Wochen mit den Energie- und Umweltministern der Mitgliedstaaten wie auch mit den Kraftwerksbetreibern gesprochen werden.

Als eines seiner wichtigsten Ziele nannte Oettinger, einen Beitrag zum Klimaschutz zu leisten: "Wir müssen die Energieeffizienz steigern und stärker in erneuerbare Energien investieren, etwa in Windparks, Solarenergie und Biomasse."

(apd/top)
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