Koalitionsinterner Streit Merkel hält sich Machtwort zu Vorratsdaten offen

Berlin · Kanzlerin Angela Merkel (CDU) pocht auf eine Einigung im koalitionsinternen Streit um die Vorratsdatenspeicherung, will aber noch kein Machtwort sprechen. "Die Bundeskanzlerin wird das Ihre dazu beitragen, dass die Bundesregierung den Zustand erreicht, dass sie eine gemeinsame Position beziehen kann", sagte Regierungssprecher Steffen Seibert am Mittwoch in Berlin.

Vorratsdatenspeicherung: Fragen und Antworten
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Fragen und Antworten zur Vorratsdatenspeicherung

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Foto: dapd, Thomas Kienzle

Es bestehe immer auch die Möglichkeit eines Gesprächs mit der Kanzlerin, sagte Seibert und deutete damit die Weisungsbefugnis Merkels an. Ob dies beim Thema Vorratsdaten so komme, ließ Seibert trotz der am Donnerstag kommender Woche ablaufenden Frist aus Brüssel offen.

Auf Zeitpläne wolle er sich nicht einlassen. "Wir sind in den notwendigen und auch intensiven schwierigen Gesprächen, aus denen am Ende eine Lösung hervorgehen wird", sagte Seibert. Es sei wichtig, eine richtlinienkonforme Lösung zu finden, sage er mit Verweis auf die EU-Richtlinie zur Datenspeicherung. Auf die Frage, welche Stellungnahme die Bundesregierung der EU-Kommission zum Fristende zukommen lassen wolle, sagte Seibert, es bestehe keine Rechtspflicht zur Stellungnahme. Er könne nicht sagen, was am 26. April passiere.

Streit seit März 2010

Das Bundesverfassungsgericht hatte die alte, deutsche Regelung im März 2010 gekippt - seitdem streitet die Koalition über das Thema. Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) und Innenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) wollten am Mittwochabend abermals über das Thema sprechen. Eine Einigung wurde nicht erwartet. Leutheusser-Schnarrenberger will die Daten nur nach einem konkreten Anlass speichern lassen, um sie den Ermittlern bei Bedarf zur Verfügung zu stellen. Für IP-Adressen von Computern sieht die Justizministerin eine pauschale Speicherung von sieben Tagen vor. Dagegen pocht Friedrich auf die Umsetzung der EU-Richtlinie, die eine generelle Speicherung von sechs Monaten vorsieht.

Friedrich will sechsmonatige Speicherung

Friedrich hatte am Montag einen Gesetzentwurf aus dem Bundesjustizministerium offiziell abgelehnt und Änderungsvorschläge gemacht, die im Kern eine sechsmonatige Speicherfrist vorsehen. Der Sprecher von Leutheusser-Schnarrenberger, Anders Mertzlufft, bezeichnete die Stellungnahme Friedrichs als "bedauerlich". Der Sprecher von Friedrich, Jens Teschke, erinnerte daran, dass der Bundesrepublik ein millionenschweres Strafgeld drohe, wenn die EU-Kommission vor dem Europäischen Gerichtshof klagt. Teschke sagte, sein Ministerium rechne mit einem Betrag von mindestens 11 Millionen Euro. "Wir gehen von 32 Millionen Euro aus", sagte er.

Friedrich sagte der "Leipziger Volkszeitung": "Deutschland darf nicht zum schwächsten Glied in der europäischen Sicherheitskette werden." Er ergänzte: "Dass sich die Bundesrepublik bewusst Vorgaben des europäischen Gesetzgebers widersetzt, ist nicht akzeptabel." Dagegen sagte Justizstaatssekretär Max Stadler (FDP) der "Passauer Neuen Presse": "Es macht keinen Sinn, wenn uns die EU-Kommission jetzt mit einem Klageverfahren beim Europäischen Gerichtshof zu einer Umsetzung zwingen will. Es wäre besser, wenn die Kommission ihren neuen Vorschlag vorlegen würde, über den man dann reden müsste."

Polizei erwartet endlich Entscheidung

Die Gewerkschaft der Polizei (GdP) appellierte an die Regierung, endlich eine Lösung zu finden. GdP-Chef Bernhard Witthaut sagte in Berlin: "Der Zwist zwischen zwei Kabinettsmitgliedern kann doch nicht dazu führen, dass ein wesentliches Instrument zur Verhinderung und Verfolgung von schweren Straftaten der Polizei zurzeit überhaupt nicht zur Verfügung steht, weil Verbindungsdaten nicht zugänglich oder gelöscht sind." Die Kanzlerin müsse eingreifen, so Witthaut.

Der Deutsche Anwaltverein lehnt die anlasslose Speicherung der Daten weiterhin ab. Es könne nicht hingenommen werden, dass ohne sachlichen Grund die Kommunikationsdaten von unbescholtenen Bürgerinnen und Bürgern gespeichert würden, teilte ein Sprecher mit.

(dpa)
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