Interview mit Grünen-Parteichefin Simone Peter "Merkel muss Machtwort zum Kohle-Ausstieg sprechen"

Düsseldorf · Die Grünen-Parteichefin sieht Energie als zentrales Thema des Parteitages. Sie will zudem das Ehegattensplitting schrittweise abschaffen. Das hat Simone Peter im Vorfeld des Bundesparteitages am Wochenende im Interview mit unserer Redaktion unterstrichen.

 Die Grünen-Parteichefin Simone Peter sieht Energie als zentrales Thema des Parteitages.

Die Grünen-Parteichefin Simone Peter sieht Energie als zentrales Thema des Parteitages.

Foto: dpa, mjh cul lof

Vor Ihrem Parteitag an diesem Wochenende haben partei-interne Kritiker der Führung vorgeworfen, die Gründe der Wahlniederlage von 2013 nicht genügend aufzuarbeiten. Was sagen Sie denen?

Peter Wir sind auf einem guten Weg. Wir haben uns personell erneuert und eine breite programmatische Debatte angestoßen. Und wir haben 2014 zu einem für uns Grüne erfolgreichen Wahljahr gemacht. Wir sind weiterhin in allen Landesparlamenten vertreten und regieren in sieben, vielleicht bald acht Ländern. Als Oppositionskraft machen wir unsere Kritik an der großen Koalition deutlich, von der Energiepolitik bis zu den Bürgerrechten.

Damit waren die Kritiker in Ihrer Partei aber offensichtlich nicht zufrieden, sonst hätten sie kein Papier für den Bundesparteitag geschrieben…

Peter Inzwischen gibt es einen breit getragenen Gegenantrag, der die Arbeit des Bundesvorstands stützt. Wir wollen jetzt nach vorne blicken, und keine rückwärtsgerichtete Nabelschau mehr machen. Wir sind uns alle einig: Auf dem Parteitag wollen wir ein klares Signal für einen gemeinsamen Erfolgskurs setzen. Wir nehmen die große Koalition in den Fokus der Auseinandersetzung.

Wie wollen die Grünen auf das bevorstehende Erbschaftsteuer-Urteil reagieren?

Peter Wir sind uns einig: Wir wollen keine Substanzbesteuerung der Unternehmen, sondern Arbeitsplätze und Liquidität sichern. Es wird aber allgemein erwartet, dass das Gericht verlangt, die Überprivilegierung von Betriebsvermögen bei großen Unternehmen beendet — und das völlig zu Recht. Ich bin gespannt, wie die große Koalition darauf reagiert, immerhin hat die erste schwarz-rote Regierung das Gesetz beschlossen. Für uns steht fest: Die Erbschaftsteuer muss eine Gerechtigkeitssteuer sein und dabei wirtschaftspolitisch vernünftig bleiben. Das ist sie heute beides nicht. Für die Länder ist sie nach wie vor von zentraler Bedeutung, um Mittel für notwendige Investitionen bereit zu stellen.

Wollen die Grünen weiterhin auch eine zusätzliche Vermögensteuer einführen?

Peter Über die einzelnen Steuerinstrumente beraten wir in der von mir geleiteten Steuer- und Finanzkommission. Fakt ist, dass ein dramatischer Investitionsbedarf besteht und wir es mit einer zu hohen Ungleichverteilung von Vermögen zu tun haben. Wir schreiben unser Wahlprogramm aber nicht heute, sondern für 2017. Bis dahin werden wir genau prüfen, für welche Ausgaben — etwa für Klimaschutz, Infrastruktur und eine bessere Bildung —welche zusätzliche Einnahmen benötigt werden. Wir setzen auf einen Dreiklang aus Ausgabenkürzungen, Subventionsabbau und Einnahmeverbesserungen. Und natürlich auf Maßnahmen gegen Steuerhinterziehung und -ungerechtigkeit. Schattenhaushalte, die einen ausgeglichenen Haushalt vorgaukeln, sind mit uns jedenfalls nicht zu machen.

Wie sieht es aus beim Ehegattensplitting?

Peter Wir wollen auch künftig nicht die Ehe begünstigen, sondern Familien mit Kindern, egal ob verheiratet, unverheiratet oder alleinerziehend. Das Ziel bleibt die Abschaffung des Ehegattensplittings. Wir wollen aber nicht in lange bestehende Lebensmodelle eingreifen.. Wir diskutieren deshalb darüber, für bestehende Ehen vernünftige und sozial gerechte Übergangslösungen zu schaffen, damit wir die Menschen nicht in ihrer Lebenswirklichkeit treffen.

Sigmar Gabriel hat sich für eine längere Übergangszeit für Kohle-Kraftwerke ausgesprochen. Ist Gabriel ein Wirtschaftsminister, mit dem die Grünen gut arbeiten könnten?

Peter Gabriels kohlefreundliche Politik als Wirtschaftsminister ist blind für den Klimaschutz. Natürlich haben wir als Grüne damit große Probleme. Ohne Einstieg in den Kohleausstieg wird Deutschland sein Klimaschutzziel von minus 40 Prozent der Treibhausgasemissionen bis 2020 nicht erreichen. Und dieses Ziel hat Gabriel nun offensichtlich aufgegeben — zugunsten der Kohlelobby und zu schweren Lasten zukünftiger Generationen. Nach der Bremse bei den Erneuerbaren Energien schaltet er nun in den Rückwärtsgang beim Klima.

Welche Verantwortung kommt hier Frau Merkel zu?

Peter Frau Merkel ist als Klima-Vorreiterin ein Totalausfall. Den letzten UN-Klimagipfel in New York hat sie geschwänzt, um stattdessen zum BDI zu gehen, der seine Interessen zulasten des Klimaschutzes durchzusetzen weiß. Ambitioniertere CO2-Ziele der EU hat die Kanzlerin im Sinne der deutschen Automobilindustrie verhindert. Jetzt preschen China und die USA beim Klimaschutz vor und Europa gerät ins Hintertreffen. Da würde ich mir ein Machtwort der Kanzlerin gegenüber den Kohlefreunden erwarten: Wir steigen schrittweise aus der Kohle aus und legen dafür einen konkreten Plan vor Außerdem muss Frau Merkel endlich Horst Seehofer in die Schranken weisen, damit Bayern die Energiewende nicht weiter durch Blockaden beim Netzausbau drangsaliert. Birgit Marschall führte das Interview

BIRGIT MARSCHALL FÜHRTE DAS INTERVIEW.

(mar)
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