Berlin Merkel verspricht Städten eine halbe Milliarde mehr

Berlin · Beim zweiten Dieselgipfel erhalten die Kommunen mehr Geld vom Bund, um in Elektrobusse, Fahrradwege oder eine elektronische Verkehrssteuerung zu investieren. Diesel-Fahrverbote sind tabu.

 Beim Diesel-Gipfel mit den Kommunen: Vize-Kanzler Sigmar Gabriel, Bundeskanzlerin Angela Merkel und NRW-Ministerpräsident Armin Laschet.

Beim Diesel-Gipfel mit den Kommunen: Vize-Kanzler Sigmar Gabriel, Bundeskanzlerin Angela Merkel und NRW-Ministerpräsident Armin Laschet.

Foto: dpa, gam htf

Die Bundesregierung hat den Fonds für kurzfristige Maßnahmen zur Begrenzung giftiger Abgase in den Kommunen um weitere 500 Millionen auf insgesamt eine Milliarde Euro aufgestockt. Das Geld komme aus dem laufenden Bundeshaushalt und stehe für die Städte sofort bereit, sagte Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) am Montag nach einem Treffen mit mehreren Ministerpräsidenten und Bürgermeistern.

"Die Zeit drängt", sagte sie mit Blick auf drohende Fahrverbote wegen der hohen Stickoxid-Belastung in über 80 deutschen Städten. Das Geld könne in den Ausbau des öffentlichen Nahverkehrs, die Umrüstung von Dieselbussen auf Elektroantriebe, den Ausbau des Fahrradverkehrs oder eine bessere digitale Verkehrssteuerung fließen.

Verwaltungsgerichte entscheiden über Diesel-Fahrverbote

In Stuttgart, München, Düsseldorf und anderen Städten drohen schon Anfang 2018 Fahrverbote für ältere Dieselfahrzeuge, weil Verwaltungsgerichte die permanente Überschreitung von EU-Schadstoff-Grenzwerten durch sie nicht mehr dulden wollen. Bei einem Dieselgipfel Anfang August hatten die Bundesregierung und die Autoindustrie bereits Schritte zur besseren Luftreinhaltung beschlossen.

Die Autoindustrie hatte zugesagt, den Abgas-Ausstoß von Motoren betroffener Dieselfahrzeuge durch Software-Updates zu verringern. Doch reichen diese Maßnahmen nach Experteneinschätzung nicht aus, um die Schadstoffbelastung ausreichend zu verringern. Die Kommunen schlagen daher Alarm.

Beim Dieselgipfel Anfang August hatten der Bund und die Autohersteller bereits einen Fonds "Nachhaltige Mobilität für die Stadt" angekündigt. Dabei hatten beide Seiten jeweils 250 Millionen Euro zugesagt. In diesen Fonds fließen nun weitere 500 Millionen Euro nur vom Bund. Mit der Industrie werde gesprochen, ob sie noch mehr Geld für Investitionen in Luftreinhaltepläne bereitstellen könne, sagte Merkel.

Eine Koordinierungsstelle werde sofort eingerichtet, um die Mittelverwendung zu steuern. Ein Anfang August vereinbartes Kaufprogramm für Elektrobusse von 100 Millionen Euro jährlich sei davon unberührt. Weitere Schritte sollten bei einem weiteren Dieselgipfel beschlossen werden, der voraussichtlich im November stattfinden wird.

Derzeit sind in Deutschland nur rund 500 Elektro- oder Hybridbusse unterwegs, aber knapp 80.000 Dieselbusse. In manchen Kommunen seien nur ein Prozent aller Fahrzeuge Busse, doch sie seien für 20 Prozent der schädlichen Abgase verantwortlich, sagte NRW-Ministerpräsident Armin Laschet (CDU). Er hatte ein Konzeptpapier zur Umrüstung von Nahverkehrsbussen erarbeitet. Ein Teil floss in die Beschlüsse ein. Wie Vizekanzler Sigmar Gabriel (SPD) betonte Laschet, dass es noch kein rechtskräftiges Urteil für die Einhaltung von Grenzwerten ab dem 1. Januar 2018 gebe.

Im Namen der großen Koalition lehnte Gabriel die Forderung von Grünen und Städten nach Einführung einer "Blauen Plakette" ab. Damit hätten Kommunen ein Steuerungsinstrument, um besonders schadstoffintensiven Autos die Einfahrt in bestimmte Innenstadtbereiche zu verbieten. Die Plakette würde bei Autofahrern zu viele Irritationen auslösen, sagte Gabriel.

FDP-Chef Lindner will Autokonzerne stärker zur Kasse bitten

"Für die Wirtschaft ist es wichtig, dass alle Teilnehmer die feste Absicht erklärt haben, auf Fahrverbote für Dieselfahrzeuge verzichten zu wollen", sagte Martin Wansleben, Hauptgeschäftsführer des Deutschen Industrie- und Handelskammertages. "Mit Software-Updates allein ist es nicht getan", sagte Handwerkspräsident Hans Peter Wollseifer. Die Autoindustrie müsse Motoren technisch umrüsten.

Grünen-Chef Cem Özdemir forderte, den Kommunen permanent jedes Jahr eine Milliarde Euro zur Verbesserung des Nahverkehrs zu geben. FDP-Chef Christian Lindner kritisierte, dass der Fonds zur Luftverbesserung allein aus Steuermitteln und nicht durch die Autoindustrie aufgestockt wird. "Ich hätte erwartet, dass die Kanzlerin die Autokonzerne in die Pflicht nimmt, dass sie für die Hälfte aufkommen, wie es noch kürzlich beim Dieselgipfel geplant war", sagte Lindner. "Das ist eine falsche Form von Nachsicht gegenüber den Konzernen zulasten der Steuerzahler."

(jd/mar)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort