NRW-SPD-Chef Groschek im Interview "Alles gehört schonungslos auf den Prüfstand"

Düsseldorf · Der Vorsitzende des SPD-Landesverbandes Nordrhein-Westfalen, Michael Groschek, will nach dem Mitgliedervotum für eine große Koalition den Gegnern des Bündnisses die Hand reichen. Sämtliche Positionen der SPD gehören auf den Prüfstand, sagt er im Interview.

 "Ohne NRW würde jedem Team etwas fehlen": Michael Groschek.

"Ohne NRW würde jedem Team etwas fehlen": Michael Groschek.

Foto: dpa

Herr Groschek, haben die SPD-Mitglieder in NRW mehrheitlich für oder gegen die große Koalition gestimmt?

Groschek Wenn NRW mehrheitlich nicht Ja gesagt hätte, wäre das Ergebnis nicht so deutlich ausgefallen.

Was ist die Ursache für die 66 Prozent Zustimmung beim Votum?

Groschek Ich finde, zwei Drittel sind eine überzeugte und auch überzeugende Mehrheit. Bei der inhaltlichen Bewertung mussten selbst Groko-Gegner einräumen, dass das Ergebnis der Koalitionsverhandlungen gut und im Koalitionsvertrag viel mehr SPD ist, als das unser Wahlergebnis vermuten ließe. Nach dem positiven Votum darf die Erneuerung in Regierungsverantwortung aber nicht auf der Strecke bleiben. Deswegen brauchen wir neben der erfolgreichen Arbeit in der Koalition ein neues politisches Kraftzentrum in der SPD, das das unser Profil schärft und die Partei inhaltlich, organisatorisch und personell erneuert.

Wie soll dieses neue Kraftzentrum denn aussehen?

Groschek Es geht mir um neue Geschlossenheit, vereint im Willen zur Erneuerung. Alle müssen jetzt an einem Strang ziehen. Bei aller Kritik muss man sagen, dass die Jusos einen super Job gemacht haben. Kevin Kühnert und seine Mitstreiter haben eine Kampagne hingelegt, von der sich die SPD eine Scheibe abschneiden kann. In NRW gibt es viele junge Juso-Frauen, die mit viel Power und Sachverstand argumentiert haben. Die werden wir gezielt fördern.

In NRW haben sich zahlreiche, sehr prominente Spitzengenossen klar gegen die große Koalition gestellt. Wie wollen Sie als Landeschef mit denen wieder eine Einheit bilden?

Groschek Ich lade beide Seiten dazu ein, einen gemeinsamen Aufruf der Erneuerung zu formulieren und beim Landesparteirat am kommenden Wochenende zu verabschieden. Gegner wie Befürworter einer großen Koalition wissen, dass dieses Mitgliedervotum abgeschlossen ist. Wir sind eine Partei und wir suchen ab sofort den politischen Gegner wieder rechts der SPD und nicht in der SPD.

Gibt es ein erstes Ergebnis von der Erneuerungsklausur, die an diesem Wochenende stattgefunden hat?

Groschek Wir sind uns im Parteivorstand einig, dass wir nicht weiter so tun dürfen, als gebe es ewige Wahrheiten, die man nur predigen muss. Alles gehört auf den Prüfstand, und zwar schonungslos. Die Lebenswirklichkeit und der Alltag der Menschen müssen zwingend Maßstab unseres Handelns und unserer Positionen werden.

Wird es neue Leuchttürme wie einst den Mindestlohn geben?

Groschek Richtig ist, dass wir den Menschen mit unserer sozialdemokratischen Haltung eine klare Orientierung bieten müssen. Aber bitte nicht falsch verstehen: Bevormundung wäre völlig fehl am Platz.

Die Koalition ist jetzt entschieden. In dieser Woche wird die Kabinettsliste festgezurrt. Was ist dabei aus Ihrer Sicht zu beachten?

Groschek Fest steht, dass es drei Frauen und drei Männer aus der SPD am Kabinettstisch geben wird. Darüber hinaus habe ich als Landeschef aus dem tiefsten Westen nichts dagegen, wenn der Osten der Republik mehr Berücksichtigung findet. Es gibt in der SPD keinen Ost-West-Konflikt. Unser Regierungsteam, das wir jetzt aufstellen, muss bei der nächsten Bundestagswahl um die deutsche Meisterschaft spielen. Das ist das wichtigste Ziel. Die SPD kann bei guter Regierungsarbeit wieder stärkste Kraft werden, da bin ich sicher.

Würde diesem Ministerteam ein junges Gesicht aus NRW gut stehen?

Groschek Ohne NRW würde jedem Team etwas fehlen.

Mit Michael Groschek sprach Jan Drebes.

(jd)
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