Migranten in der AfD Abgestempelt als "türkischer Nazi"

Die "Alternative für Deutschland" punktete im Wahlkampf, indem sie Stimmung gegen Ausländer machte. Zuwanderung will die Partei begrenzen. Dennoch haben sich Menschen mit ausländischen Wurzeln der Partei angeschlossen.

 Aslan Basibüyük hatte große Mühe, seine Sympathien für die AfD in der Familie zu erklären.

Aslan Basibüyük hatte große Mühe, seine Sympathien für die AfD in der Familie zu erklären.

Foto: dpa, jhe lof

"Die AfD - das ist doch diese neue fremdenfeindliche Partei, die den Rechtsradikalismus salonfähig machen will" - so lautet eine verbreitete Einschätzung. Die wenigen Mitglieder der Alternative für Deutschland (AfD), die ausländische Wurzeln haben, werden deshalb von ihrer Umwelt oft wie "arme Irre" behandelt oder sogar als "türkische Nazis" abgestempelt.

Die jüngsten Skandale in den östlichen Bundesländern, wo innerhalb weniger Wochen ein halbes Dutzend AfD-Mitglieder wegen rechtsextremer Vergangenheit oder antisemitischer Kommentare auffielen, haben die Situation noch einmal verschärft.

Basibüyük geht es um den Schutz der Familie

Auch Aslan Basibüyük (38) beobachtet sehr genau, wie die junge Partei mit diesen "schwarzen Schafen" umgeht. "Bisher ist man da sehr konsequent und drängt diese Leute zum Austritt", sagt der Enkel eines türkischen Einwanderers. "Wenn das nicht so wäre, dann wäre ich selbst auch nicht mehr Mitglied der AfD", fügt er hinzu.

Basibüyük musste wegen der vielen Negativ-Berichte über die AfD im Familien- und Bekanntenkreis sehr viel Überzeugungsarbeit leisten, bevor seine Mitgliedschaft in der eurokritischen neuen Partei akzeptiert wurde. Er meint, dass die AfD gerade für Zuwanderer und ihre Nachkommen viel zu bieten habe: "Die AfD betont ja den Schutz der Familie, und die Familie ist für die meisten Migranten sehr wichtig - SPD und CDU, die haben auf diesem Gebiet ja in den letzten Jahren alles aufgegeben."

Viel zu verkrampft

Basibüyük, der als Controller arbeitet und für die AfD im Kreistag des Rhein-Lahn-Kreises sitzt, findet den Umgang der Deutschen mit Ausländern insgesamt verkrampft und von zu vielen Tabus belastet. Er sagt: "Wir müssen die Probleme, die es mit der Zuwanderung und der Integration gibt, offen ansprechen. Denn sonst besteht das Risiko, dass auch meine Kinder und ich eines Tages zu Außenseitern in dieser Gesellschaft werden, weil man Migranten insgesamt negativ sieht."

Besonders stört Basibüyük, dass die Staatsmacht im Migrantenmilieu nicht hart genug durchgreift, wenn Menschenrechte verletzt werden. "Es gibt auch hier in Bad Ems, in Koblenz und im Kreis Neuwied eine große Zahl von Zwangsverheiratungen, meist von Mädchen, aber auch von Jungen - das geht doch gar nicht im 21. Jahrhundert", empört er sich.

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Besser offen mit Konflikten umgehen

Außerdem tritt er, wie auch seine Partei, für neue Regeln bei der Zuwanderung ein: "Wenn wir in Deutschland Ärzte brauchen, dann macht es doch keinen Sinn, wenn wir Metzger ins Land holen." Dass sein eigener Großvater - hätten diese Regeln damals schon gegolten - wahrscheinlich gar nicht nach Deutschland gekommen wäre, findet er nicht schlimm.

Auch dass die AfD im Osten Volksabstimmungen über den Bau von Moscheen mit Minaretten fordert, stört den politisch konservativen Familienvater nicht. "Es ist doch besser, wenn man bei solchen Projekten die Bürger mit ins Boot holt."

In der AfD sei er wegen seines türkischen Familienhintergrundes bislang noch nie herablassend behandelt worden, sagt Basibüyük, der diesen Sommer auch im Thüringer Wahlkampf Unterstützung geleistet hatte. Nur einmal sagte ein Mann, der sich für die Ziele der AfD interessierte, bei einer Parteiveranstaltung zu ihm: "Mit Ihrem Namen würden Sie doch besser in die SPD passen."

Einer will lieber anonym bleiben

In der Bundesgeschäftsstelle der AfD weiß man nicht, wie hoch der Migranten-Anteil in der Partei ist - zwar muss jedes neue Mitglied Angaben zu seiner früheren Mitgliedschaft machen, doch frühere Staatsangehörigkeiten werden nicht abgefragt. Pressesprecher Christian Lüth schätzt, dass etwa ein bis zwei Prozent der Mitglieder ausländische Wurzeln haben.

Einer von ihnen ist ein Lehrer aus Berlin, der seinen Namen aus Angst vor Angriffen von Autonomen nicht veröffentlicht sehen will. Der 33-jährige Sohn eines deutsch-arabischen Paares ist seit 2013 AfD-Mitglied. Er überlegt derzeit, ob er die Partei wieder verlassen soll. "Der Druck ist zu groß, ich bin auch schon von Linken bedroht worden", sagt er und rührt angespannt in seinem Minze-Tee.

Dass die Ablehnung so groß ist, hat auch viel mit seinem Bekanntenkreis zu tun, "wo alle grün wählen, so wie ich auch früher". Im Bundestagswahlkampf 2013 klebte er in Berlin-Kreuzberg AfD-Plakate, "die allesamt abgerissen wurden". Bei einer Wahlkampfveranstaltung im selben Bezirk empfing man ihn mit Sprechchören: "Halt die Fresse!"

Der AfD schloss sich der Politik-Lehrer an, weil er eine Alternative zur Euro-Rettung und zur Ausländerpolitik der Bundesregierung suchte. "Die Idee einer gewissen Auswahl von Einwanderern finde ich gut", sagt er. "Denn wer ohne Bildung hierherkommt, der wird untergehen." Die Deutschen müssten endlich einen Mittelweg finden "zwischen Multikulti-Romantik und Überfremdungsangst".

(dpa)
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