NRW-Arbeitsminister Schneider im Interview "Mindestlohn von 8,50 Euro"

(RP). Guntram Schneider (SPD) ist neuer NRW-Minister für Arbeit, Integration und Soziales. Er will in NRW die Arbeitszeit an Sonntagen eindämmen und einen früheren Ladenschluss durchsetzen. Außerdem sollte seiner Meinung nach ein Mindestlohn von 8,50 Euro eingeführt werden.

 NRW-Arbeitsminister Guntram Schneider rechnet mit einer "moderaten Erhöhung" der Arbeitslosigkeit.

NRW-Arbeitsminister Guntram Schneider rechnet mit einer "moderaten Erhöhung" der Arbeitslosigkeit.

Foto: dapd, APN

Was haben Sie gegen Leiharbeit?

Schneider Gar nichts. Leiharbeit kann ein gutes Instrument sein, um Auftragsspitzen abzufangen.

...aber im Koalitionsvertrag ist von Neuregulierung der Leiharbeit die Rede...

Schneider: Neuregulierung heißt ja nicht Abschaffung. Es gibt Korrekturbedarf. Mein Ziel bei der Leiharbeit heißt: "Gleiches Geld für gleiche Arbeit". Aus zwei Gründen. Erstens, weil alles andere ungerecht ist. Zweitens, weil wir nur so einen Trend bei den Unternehmen verhindern, die teuren Stammbelegschaften systematisch und auf Dauer durch die derzeit preiswertere Leiharbeit zu ersetzen. Insofern ist gerecht bezahlte Leiharbeit auch Arbeitsplatzsicherung.

Wird in NRW sonntags zu viel gearbeitet?

Schneider Ja. Natürlich müssen etwa Polizei, Krankenhäuser und Feuerwehren auch sonntags arbeiten. Darum geht es nicht. Aber unter der schwarz-gelben Vorgängerregierung haben sich so viele Ausnahmeregelungen eingeschlichen, dass die Sonntagsarbeit inzwischen in gefährlich vielen Branchen normal geworden ist. Wir müssen wieder mehr auf den arbeitsfreien Sonntag achten. Ich bin gespannt, wie der katholische Oppositionsführer Karl-Josef Laumann darauf reagiert.

Die Menschen erholen sich ja nicht nur sonntags, sondern auch nachts. Gibt es Korrekturbedarf beim Ladenschluss-Gesetz?

Schneider: Anders herum gefragt: Brauchen wir wirklich Supermärkte, die rund um die Uhr geöffnet haben? Im Einzelhandel kann ich mir eine Beschränkung der Öffnungszeiten bis maximal 22 Uhr durchaus vorstellen.

Gehen dadurch nicht Jobs verloren?

Schneider Nein. Es ist statistisch nachgewiesen, dass längere Öffnungszeiten im Einzelhandel keine zusätzlichen Jobs schaffen. Warum sollten sie auch? Jeder Kunde kann seinen Euro nur einmal ausgeben.

Sie sind für einen Mindestlohn. Wie hoch sollte der sein?

Schneider Meiner Meinung nach sollte in NRW niemand für weniger als 8,50 Euro pro Stunde arbeiten müssen. Davon ausgehend muss der Mindestlohn auf Dauer von einer unabhängigen Kommission laufend an die Produktivität der Wirtschaft und die Inflationsentwicklung anpassen. Dieses Thema dürfen wir auch nicht auf die lange Bank schieben, weil zunehmend Arbeitnehmer aus Billiglohnländern nach Deutschland drängen und hier unser Lohngefüge unterlaufen.

Ökonomen warnen, dass ein Mindestlohn schlecht qualifizierte Menschen aus dem Arbeitsmarkt drängt...

Schneider Das stimmt nicht. In Deutschland arbeiten fünf Millionen Menschen für weniger als neun Euro die Stunde. Die Hälfte davon hat eine abgeschlossene Berufsausbildung. Niedrige Löhne haben also nichts mit dem Ausbildungsniveau zu tun. Außerdem: Bei einem Arbeitsplatz, dessen Wertschöpfung nicht einmal 8,50 Euro Stundenlohn zulässt, muss man die Frage nach dem volkswirtschaftlichen Nutzen stellen. Vielleicht wollen wir solche Jobs ja gar nicht.

Sind Sie mit dem Zuschnitt Ihres Ministeriums zufrieden?

Schneider Den Bereich Gesundheit hätte ich gerne behalten. Aber die Verknüpfung von Arbeit, Sozial und Integration birgt auch Chancen.

Ist es nicht rückwärtsgewandt, Integration mit Arbeit zu verbinden?

Schneider Unsinn. Wir fangen bei der Integrationspolitik ja nicht erst in der Berufsausbildung, sondern bei der frühkindlichen Bildung an. Integration verstehe ich als gesellschaftliche Modernisierung. Deshalb wollen wir ein neues Integrationsgesetz vorlegen. Die Kommunen sollen eine wichtigere Rolle spielen als bisher möglich.

Wollen sie das Kopftuchverbot für Lehrerinnen wieder abschaffen?

Schneider Wenn ein Kopftuch nicht aus politischen Gründen getragen wird, habe ich nichts dagegen. Ebenso wie ich nichts dagegen habe, dass Kreuze in Klassenzimmern hängen.

Thomas Reisener und Gerhard Voogt führten das Gespräch

(RP)
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