Islam-Rede des Bundespräsidenten Minister Röttgen stellt sich hinter Wulff

Berlin (dapd). Die Anmerkungen von Bundespräsident Christian Wulff zur Rolle des Islam in Deutschland führen zu Kontroversen in der Union. Während Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) unterstrich, es gebe keinen Anlass, den Islam in die deutsche Werteordnung einzupassen, nahm Bundesumweltminister Norbert Röttgen (CDU) das Staatsoberhaupt in Schutz.

 Bundespräsident Christian Wulff bei seiner Rede zum Tag der Deutschen Einheit.

Bundespräsident Christian Wulff bei seiner Rede zum Tag der Deutschen Einheit.

Foto: dapd, dapd

Die Opposition kritisierte die Debatte als rückwärtsgewandt. Der Generalsekretär des Zentralrats der Juden in Deutschland, Stephan Kramer, monierte im dapd-Interview, viele Politiker verschlössen sich bis heute den Realitäten einer Einwanderungsgesellschaft.

Wulff hatte in seiner Rede zum Tag der Deutschen Einheit gesagt, Deutschland habe eine christlich-jüdische Geschichte. Aber auch der Islam gehöre heute zu Deutschland.

Herrmann sagte: "Unsere Grundwerte gründen klar in der christlich-abendländischen Tradition." Deutschland erwarte von jedem, dass er sich voll in die Gesellschaft integriere, unabhängig von Herkunft oder Religion. "Deutschland will aber nicht den Islam integrieren, sondern seine kulturelle Identität bewahren", sagte Herrmann.

Röttgen sagte, viele hervorragend integrierte Muslime könnten Wulff auch als ihren Bundespräsidenten betrachten. "Seine Rede war ein Bekenntnis zu den Menschen muslimischen Glaubens, die hier leben und leben wollen", sagte Röttgen. Hinsichtlich der Kritik aus den Unions-Parteien an Wulff betonte er: "Klar ist aber, und das hat der Bundespräsident auch gesagt: Deutschlands religiöse und kulturelle Wurzeln liegen im Christentum und im Judentum."

Koch lobt Wulff

Auch der frühere hessische Ministerpräsident Roland Koch lobt die Äußerungen von Wulff zum Islam. Menschen muslimischen Glaubens würden die Zukunft Deutschlands mitgestalten, das dürften konservative Politiker nicht ignorieren, sagte der CDU-Politiker am Donnerstag im ZDF-"Morgenmagazin". Allerdings habe Wulff in der Rede zum Tag der Deutschen Einheit auch deutlicher als seine Amtsvorgänger betont, dass hierzulande die deutsche Kultur gelte.

Wer dauerhaft in Deutschland leben will, muss sich nach Ansicht Kochs den "erarbeiteten" Traditionen und Werten der Bundesrepublik unterordnen. Elemente der deutschen Leitkultur wie religiöse Toleranz seien im Islam nicht selbstverständlich. Es müsse künftig deutlicher formuliert werden, welche Verhaltensweisen letztlich verbindlich sein sollen.

Der stellvertretende Unions-Bundestagsfraktionschef Günter Krings (CDU) sagte, der Islam sei Teil der Wirklichkeit, aber er zähle nicht zur traditionellen, gewachsenen Kultur in Deutschland. "Es werden innerhalb des Islam auch Werte vertreten, die ich nicht in der deutschen Kultur sehen will, etwa zur Stellung der Frau in der Gesellschaft", sagte Krings.

Glück: Viele Muslime wollen ein Teil des Landes sein

Der Vorsitzende des Zentralkomittees der deutschen Katholiken, Alois Glück, sagte, er sei froh über das, was Wulff gesagt habe. "Im Gespräch mit Muslimen merke ich, wie sehr die meisten wünschen, ein Teil dieses Landes zu sein", sagte der CSU-Veteran. Andererseits hätte Wulff vielleicht doch deutlicher erklären müssen, "dass die christlich-jüdische und die muslimische Tradition in Deutschland nicht einfach gleichgestellt werden können."

Der innenpolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, Dieter Wiefelspütz attestierte CDU und CSU, beim Thema Integration Debatten von vorgestern zu führen. Der Islam sei unwiderruflich und unbestreitbar ein Teil Deutschlands. "Dass diese Realität immer noch nicht anerkannt wird, ist tief peinlich für die Union und stößt die Muslime vor den Kopf", kritisierte der SPD-Politiker.

Der integrationspolitische Sprecher der Grünen-Bundestagsfraktion, Memet Kilic, sagte, die aktuelle Debatte in der Union um die Rolle des Islam in Deutschland fördere nicht die Integration. "Die Union muss ihre neurotische Selbstbeschäftigung schleunigst beenden", forderte er.

Zentralrat fordert Härte gegen Verfassungsfeinde

Kramer lobte Wulffs Rede. Obwohl die Empörung abzusehen gewesen sei, habe der Bundespräsident Flagge gezeigt. "Die hierzulande lebenden Moslems sind Teil unserer Gesellschaft", sagte Kramer. "Daher gehört natürlich auch ihre Religion in dieses Land." Schließlich sei das Recht auf freie Religionsausübung im Grundgesetz verankert. Wulffs Kritiker dagegen erweckten den Eindruck, Deutschland stünde unmittelbar vor der Wahl zwischen Grundgesetz und Scharia.

Es sei kaum nachzuvollziehen, mit welcher Vehemenz manche Politiker jetzt die jüdischen Wurzeln Deutschlands betonten und versuchten, das Judentum gegen den Islam in Stellung zu bringen. Bürger sollten nicht nach Religion, sondern nach der Treue zur deutschen Demokratie beurteilt werden. Gegen Verfassungsfeinde müsse mit aller Härte vorgegangen werden - egal, ob sie in die Kirche, die Moschee oder die Synagoge gehen.

Politiker für Gleichstellung

Abgeordnete von SPD und Grünen sprachen sich derweil dafür aus, den Islam staatlich als Religionsgemeinschaft anzuerkennen und damit rechtlich den christlichen Kirchen gleichzustellen. Ein solcher Schritt wäre ein "wichtiges Signal an die vier Millionen Muslime in Deutschland", sagte der innenpolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, Dieter Wiefelspütz, der "Neuen Osnabrücker Zeitung".

Der Islam brauche eine "faire Chance" in Deutschland. Ähnlich äußerte sich der integrationspolitische Sprecher der Grünen-Fraktion, Memet Kilic. Die Anerkennung des Islam als gleichberechtigte Religionsgemeinschaft könne für die Integration nur förderlich sein, sagte er dem Blatt. Wiefelspütz warf CDU und CSU vor, "beim Thema Integration die Debatten von vorgestern zu führen". Der Islam sei unwiderruflich und unbestreitbar ein Teil Deutschlands.

Eine Gleichstellung des Islam als Religionsgemeinschaft wäre mit einer Reihe von Vorrechten verbunden: Unter anderem das Recht, durch den Staat Steuern einziehen zu lassen oder auf Kosten des Staates Religionsunterricht in Schulen zu erteilen.

(apd/AFP/csi/das)
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