Streit um den Bundeshaushalt 2010 Minister Schäubles schwerste Woche

Düsseldorf (RP). Vier Monate nach seiner Amtsübernahme muss der Bundesfinanzminister vom Krankenbett aus beobachten, wie ihn die Opposition erstmals scharf attackiert. Bessere Konjunktur, geringere Arbeitslosenzahl und niedrigere Zinsen verhelfen Schwarz-Gelb zu einem Achtungserfolg beim Etat 2010.

Bundeshaushalt 2010 - die wichtigsten Eckpunkte
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Foto: ddp

Ausgerechnet in der Endphase der parlamentarischen Beratungen über den Bundeshaushalt 2010 muss Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) für längere Zeit im Krankenhaus bleiben. Schäuble werde die Klinik wegen der notwendigen Nachsorge nach zwei Routine-Operationen erst in etwa zwei Wochen verlassen können, berichtete gestern sein Sprecher.

Die Opposition hielt dies nicht davon ab, den 67-Jährigen scharf zu attackieren: "Schäuble hat als Finanzminister bisher versagt", erklärte der haushaltspolitische Sprecher der SPD-Fraktion, Carsten Schneider. Grünen-Experte Alexander Bonde warf Schäuble sogar "unvorstellbaren Verfahrenspfusch" vor.

Vier Monate nach dem Regierungswechsel ist die Schonzeit für Schäuble vorbei, Klinikaufenthalt hin oder her, meint die Opposition. Sie prangert mangelnde Durchsetzungskraft beim Bundesfinanzminister an: Es sei nicht erkennbar, wie er das Bundeskabinett zu notwendigen Einsparungen von jährlich zehn Milliarden Euro ab 2011 zwingen will. Will Schäuble die Regeln der Schuldenbremse erfüllen, müsste er bis 2013 eine 30-Milliarden-Euro-Lücke schließen. Schon in den laufenden Beratungen für den Etat 2010 zeige die Koalition keinen Sparwillen, so die Kritiker.

Unerwartet hat Schäuble sämtliche Termine in dieser und in der nächsten Woche absagen müssen. Heute stand ein Treffen mit seinem Schweizer Amtskollegen Hans-Rudolf Merz in seinem Terminkalender. Ursprünglich hatte Schäuble am Wochenende das Krankenhaus nach einem bei Rollstuhlfahrern üblichen Eingriff verlassen wollen. Doch beim Heilungsprozess seien Probleme aufgetreten, so dass sich Schäuble einem weiteren, allerdings kleinen Eingriff unterziehen musste, berichtete sein Sprecher.

Eine Rückkehr in das Ministerbüro ist derzeit nicht möglich. Allerdings lasse sich Schäuble "fast minütlich" von seinen Beratern und Beamten unterrichten, heißt es. Neben den Haushaltsberatungen stehen die Griechenland-Krise und die ersten Pläne für den Haushalt 2011 auf der Tagesordnung des Ministeriums. Bis Ende März müssen die Ressorts schon ihre ersten Pläne für 2011 abliefern. "Dann sehen wir, wie weit der Spargedanke in der Bundesregierung bereits ausgeprägt ist", heißt es kämpferisch im Finanzministerium.

Auch "Blaue Briefe", wie sie Ex-Finanzminister Peer Steinbrück (SPD) öffentlichkeitswirksam an ausgabefreudige Minister verschicken ließ, seien "eine Option". Intern wird als Sparziel für 2011 sogar eine Summe von 20 Milliarden Euro genannt. Die von der FDP vehement geforderten Steuersenkungen werden in den Haushaltsplänen indes bisher nicht beziffert. Man hoffe auf die "segensreiche Wirkung" der Steuerschätzung im Mai, erklärt ein Ministerialer. Immerhin rechnen die Beamten verschiedene Modelle zur Vereinfachung des Steuersystems durch, mit denen die Liberalen besänftigt werden sollen.

Zu den abschließenden Etatberatungen vom 16. bis 19. März im Bundestag soll Ressortchef Schäuble dann wieder an Bord sein, heißt es. In der Nacht zu kommendem Freitag wird der Haushaltsausschuss letzte Hand an den Etat 2010 legen. Die Koalition will die Neuverschuldung von bisher geplanten 85,8 Milliarden Euro auf knapp unter die 80-Milliarden-Grenze drücken, heißt es in Kreisen der Haushaltspolitiker von Union und FDP.

Allerdings würde dabei nur weniger als eine Milliarde aktiv gespart, kritisieren SPD und Grüne. Allein die bessere Konjunktur verhelfe Schwarz-Gelb zu Minderausgaben für Arbeitslose von 3,8 Milliarden Euro, sagt SPD-Haushaltsexperte Carsten Schneider. Hinzu kämen etwa 1,5 Milliarden Euro, die die Koalition spare, weil das Zinsniveau seit der Etataufstellung im Herbst gesunken sei. "Es ist ein verschenktes Jahr", urteilt Schneider.

Union und FDP halten dagegen. Sie seien sehr wohl gewillt zu sparen, sagen die Fachpolitiker. Es werde auch 2010 empfindliche Einsparungen geben, etwa bei den Verwaltungskosten. Welche Ressorts dies trifft, wollen die Haushaltssprecher am Freitag in einer Pressekonferenz mitteilen. Direkt im Anschluss haben sich die Oppositionspolitiker in der Bundespressekonferenz angekündigt, um ihre Sicht der Dinge zu erklären.

Völlig unklar sei etwa, wie die Koalition die Regeln der Schuldenbremse und des Stabilitätspakts spätestens 2013 erfüllen will, meinen SPD und Grüne. Dass Schäuble dazu bisher keine Vorschläge präsentiert habe, gleiche einem "finanzpolitischen Himmelfahrtskommando", wettert SPD-Mann Schneider.

Grünen-Politiker Bonde wirft Schäuble vor, mit einer veralteten Finanzplanung zu operieren. Der Minister habe es verpasst, dem Bundestag rechtzeitig eine neue Planung für die Zeit bis 2014 vorzulegen. Beide Vorwürfe wies Schäubles Sprecher zurück: Der Minister habe immer erklärt, er werde erst nach der Steuerschätzung Mitte Mai konkrete Pläne für 2011 und die Folgejahre vorlegen.

(RP)
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