Breite Diskussion um Sparstrategie Minister stellt sich gegen höhere Sozialabgaben

Berlin (RPO). Breiter Widerstand gegen eine mögliche Erhöhung der Beiträge zur Arbeitslosenversicherung: Sowohl in Politik wie auch bei Wirtschaft und Gewerkschaften wird Kritik laut. Mit Bundesminister Dirk Niebel (FDP) stellt sich auch ein Mitglied der Bundesregierung gegen einen solchen Schritt. Er warnt lieber vor "Subventionsirrsinn."

Dirk Niebel - ein Fallschirmjäger als Entwicklungshelfer
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Niebel fordert gemäß der FDP-Linie den Abbau von Subventionen anstelle eines höheren Beitrags zur Arbeitslosenversicherung. "Ich bin dafür, jede Subventionsmaßnahme auf ihren Sinn zu überprüfen", sagte Niebel dem "Hamburger Abendblatt" laut Vorabbericht. "Das gilt für den ermäßigten Mehrwertsteuersatz, aber auch für anderen Subventionsirrsinn." Um die Schuldenbremse im Grundgesetz einzuhalten, müsse die Regierung die Ausgabendisziplin erhöhen.

Die Bundesregierung muss ab 2010 Milliarden im Haushalt einsparen. Über das "Wie" ist allerdings noch lange nicht entschieden. Frühestens nach den Wahlen in NRW will die schwarz-gelbe Bundesregierung über Inhalte ihres Sparpakets beschließen. Bis dahin darf fröhlich spekuliert werden über Sparpotentiale und mögliche neue Einnahmequellen.

Seit Dienstag diskutiert das Land besonders rege über eine Erhöhung der Beiträge zur Arbeitslosenversicherung. Sie gilt Fachleuten als unvermeidlich. Derzeit schießt die Bundesregierung Milliarden zu, um die Versicherung funktionstüchtig zu erhalten. Angeblich prüft sie daher eine Erhöhung von derzeit 2,8 auf 4,5 Prozent, wie die "Süddeutsche Zeitung" berichtete. Andernfalls fehlt Geld für weitere Steuersenkungen wie die FDP sie unverdrossen für 2011 verspricht. Die Regierung dementierte den Bericht, hält sich eine Entscheidung aber offen.

Das sagt die Regierung offiziell: Ein Sprecher des Bundesarbeitsministeriums verwies darauf, dass der derzeitige Beitragsatz von 2,8 Prozent bis Ende 2010 garantiert sei, da dies "bewusst als konjunkturstützende Maßnahme" gesehen werde. Zudem sehe die geltende Rechtslage einen Anstieg auf 3,0 Prozent zum Januar 2011 vor.

So oder so sind drastische Sparmaßnahmen unausweichlich. Die Überlegungen dafür die Sozialabgaben zu erhöhen und am Ende Arbeitnehmer stärker zu belasten, stößt jedoch auf entschiedenen Widerspruch. Nicht nur bei FDP-Minister Dirk Niebel.

Auch der Wirtschaftsflügel der Union lehnt höhere Beiträge zur Arbeitslosenversicherung ab. Der Vorsitzende der CSU-Landesgruppe im Bundestag, Hans-Peter Friedrich, sagte am Mittwoch, er sei strikt dagegen, die Sozialabgaben zu erhöhen. "Wir müssen alles vermeiden, was Arbeit in Deutschland teurer macht." Steuerentlastungen stünden unter Finanzierungsvorbehalt. "Wenn wir nach der Steuerschätzung wenig Spielraum haben, gibt es wenig Entlastung", sagte Friedrich. Allerdings setze er darauf, dass mehr Wachstum nennenswerte Mehreinnahmen bringe.

Der Vorsitzende des Unions-Parlamentskreises Mittelstand, Michael Fuchs (CDU), warnte, die Erhöhung der Sozialbeiträge um einen Prozentpunkt vernichte rund 120.000 Arbeitsplätze. Der CDU-Politiker forderte, die Koalition solle lieber auf Steuersenkungen verzichten als höhere Sozialbeiträge zu verlangen. "Es muss möglich sein, echte Einsparungen zu finden, damit weitere Steuersenkungen für die Mittelschicht möglich werden", sagte er.

Der Präsident des Wirtschaftsrats der CDU, Kurt Lauk, forderte einen Subventionsabbau. "Die nächsten Jahre werden dadurch gekennzeichnet sein, dass wir alle Ausgaben auf den Prüfstand stellen müssen. Die Belastungsgrenze der Steuerzahler ist erreicht", sagte er. Steuererleichterungen und Haushaltskonsolidierung seien kein Widerspruch, sondern bedingten einander. "Eine Vereinfachung des Steuerrechts ist dringend notwendig. Genauso dringend notwendig ist jedoch die Haushaltskonsolidierung", sagte Lauk.

Das sagt die Wirtschaft Gesamtmetall-Präsident Martin Kannegiesser forderte, notfalls auf Steuersenkungen zu verzichten: "Beitragserhöhungen in der aktuellen Wirtschaftskrise sind wirklich Gift für Firmen und Beschäftigte. Besser wäre es, auf Steuersenkungen zu verzichten - und damit auch Beitragserhöhungen bei den Sozialkassen zu verhindern."

Die Opposition spricht von Wählertäuschung Der stellvertretende SPD-Bundestagsfraktionschef Hubertus Heil warf der Bundesregierung vor, die Wähler täuschen zu wollen. Heil kritisierte, die Bundesregierung dementiere erst einmal den Plan, die Beiträge zur Arbeitslosenversicherung massiv anzuheben, um nach der nordrhein-westfälischen Landtagswahl im Mai 2010 den Offenbarungseid zu leisten. Die Koalition sei hilflos, wenn sie Klientelgeschenke in Form von Steuersenkungen und die Konsolidierung des Haushalts unter einen Hut bringen wolle. Der Bundesregierung fehle ein wachstumsorientiertes wirtschaftspolitisches Konzept.

Das sagt der Wirtschaftsweise Der Vorsitzende des Wirtschaftssachverständigenrates, Wolfgang Franz, attestierte der Bundesregierung Konzeptlosigkeit in der Steuer- und Abgabenpolitik. Von einem Anstieg der Steuern oder Sozialabgaben dürfe man sich keine positive Wachstumswirkungen versprechen. Der Sachverständigenrat habe seinerzeit von einer zu starken Senkung der Beitragssätze abgeraten. "Jetzt kommt die Rechnung", sagte Franz.

(DDP/pst)
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