Einflussnahme von VW auf Rede? Ministerpräsident Weil spricht von "bodenloser Frechheit"

Berlin · Hat Volkswagen eine Regierungserklärung von Niedersachsens Ministerpräsident Weil umgeschrieben? Der SPD-Politiker verteidigt das. Der Bruch der rot-grünen Koalition und die Suche nach einem raschen Neuwahltermin rückt dabei immer mehr in den Hintergrund.

 Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil. (Archivbild)

Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil. (Archivbild)

Foto: dpa, pst kno

Nach dem überraschenden Verlust seiner rot-grünen Koalitionsmehrheit muss sich der SPD-Politiker gegen weitere Vorwürfe im VW-Dieselskandal verteidigen. Im Oktober 2015 hat Weil eine Regierungserklärung zur VW-Affäre vorab an den Autokonzern gegeben. Die "Bild am Sonntag" berichtete, VW habe den Text frisiert, weichgespült und Kritik abgeschwächt - Weil bestreitet dies vehement.

Der Ministerpräsident und VW-Aufsichtsrat verteidigte sein Verhalten am Sonntag nachdrücklich und sprach von einer "bodenlosen Unterstellung". Auch ein VW-Sprecher erklärte, es sei üblich, dass Aufsichtsratsmitglieder geplante Aussagen über Konzernangelegenheiten mit dem Unternehmen abstimmen. Das Land Niedersachsen ist mit 20 Prozent zweitgrößter Anteilseigner von VW.

Am Montag will Weil nach dem überraschenden Verlust seiner rot-grünen Koalitionsmehrheit mit den Chefs der Landtagsfraktionen über einen Termin für eine vorgezogene Landtagswahl beraten. Eventuell könnte parallel zu Bundestagswahl am 24. September abgestimmt werden.

Weils Bündnis hatte seine Ein-Stimmen-Mehrheit verloren, nachdem die Landtagsabgeordnete Elke Twesten am Freitag überraschend ihren Wechsel von den Grünen zur CDU angekündigt hatte.

Weil, CDU-Landeschef Bernd Althusmann und der FDP-Landesvorsitzende Stefan Birkner favorisieren den Wahltermin 24. September. Dagegen plädierte der grüne Landwirtschaftsminister Christian Meyer für einen späteren Termin. Es solle nicht über Bundespolitik, sondern über Landespolitik abgestimmt werden, sagte er der "Bild am Sonntag".

"Allein Sache des Parlaments"

Weils Einladung sorgte bei Landtagspräsident Bernd Busemann für Ärger: Der Ministerpräsident habe nicht die Befugnis, die Auflösung des Landtags zu besprechen, das sei allein Sache des Parlaments, sagte Busemann, der der CDU angehört.

Zu den Vorwürfen im VW-Abgasskandal um Millionen manipulierter Dieselmotoren sagte Weil, der Konzern habe 2015 eine Regierungserklärung prüfen und verändern dürfen. Im Kern sei der Redetext völlig unverändert geblieben, insbesondere die klare und harte Kritik an Volkswagen. "Wir haben uns sehr verantwortungsvoll verhalten, vor allem mit Blick auf die vielen, vielen Arbeitsplätze", sagte Weil. Der gesamte Sachverhalt sei in Niedersachsen im übrigen seit mehr als einem Jahr bekannt und im Landtag diskutiert worden.

Auch eine interne Mail könnte Weil entlasten. In dem Schreiben soll seine Sprecherin Pörksen gut eine Woche vor der strittigen Regierungserklärung ihren Mitarbeitern klare Anweisungen über Grenzen der Abstimmung mit VW gegeben haben, wie das Redaktionsnetzwerk Deutschland berichtet. Keinesfalls dürften politische Äußerungen mit dem Konzern abgestimmt werden. "Es geht nur um konkrete Aussagen zu den Vorgängen, die jetzt Gegenstand von Gerichtsverfahren sind."

Lindner spricht von Grenzüberschreitung

Die "Bild am Sonnstag" hingegen zitierte einen VW-Mitarbeiter, der an dem Vorgang beteiligt gewesen sein soll, mit den Worten: "Das war kein Faktencheck, wir haben die Rede umgeschrieben und weichgespült."

FDP-Chef Christian Lindner sagte unserer Redaktion: "Es ist eine Grenzüberschreitung, wenn der Ministerpräsident Niedersachsens seine Regierungserklärung zu VW dem Unternehmen vorab zur Korrektur vorlegt." Dies stelle die Verhältnisse auf den Kopf. "Die Aussagen von Herrn Weil widersprechen den Angaben des Unternehmens", sagte der FDP-Politiker. Hier müsse unbedingt schonungslos aufgeklärt werden, welche Seite die Unwahrheit sagt. "Wenn Herr Weil gelogen hat, wäre das ein Anlass für einen Rücktritt, unabhängig von den bevorstehenden Neuwahlen."

Der Grünen-Politiker Jürgen Trittin forderte Weil auf, beide Redefassungen zu veröffentlichen, um Klarheit zu schaffen. Ein Aufsichtsrat müsse im Auftrag der Anteilseigner den Vorstand kontrollieren, sagte Trittin dem "Spiegel".

(vek / mar)
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