Kommentar zu Online-Petitionen Mit Klicks die Welt verändern

Meinung | Düsseldorf · Online-Protest wird oft als "Feelgood-Activism" belächelt. Trotzdem explodiert die Zahl der gegen "Pegida" gestarteten Internet-Aktion. Und das ist gut so.

Fragen und Antworten zu "Pegida"
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Foto: dpa, abu tmk

Es gibt so viel Gutes zu tun im Internet, man kommt kaum hinterher: "Frankfurt Airport, Terminal 3 — nicht ohne Besucherterrasse", "Zeigt allen Respekt und schafft das ,Bild‘-Girl ab" oder "Verbieten Sie das Ponykarussell auf der Asbacher Kirmes", heißen drei zufällig ausgewählte Online-Petitionen, die derzeit Unterschriften sammeln.

Der Weg dahin ist einfach: Man gibt Name, Wohnort und E-Mail-Adresse an, schon ist man Teil einer Online-Petition. Plattformen wie Change.org organisieren die Aktionen. Sind ein paar hunderttausend Unterschriften zusammen, werden die Forderungen an Regierungen oder Firmen übergeben. Die Plattformen vermitteln ihren Nutzern so das Gefühl politischer Beteiligung.

Rund 84 Millionen Menschen haben bereits bei Change.org — nach eigenen Angaben die größte Petitionsplattform der Welt — mitgemacht. Die Nutzer können auch selbst Petitionen starten. Ein paar erklärende Sätze, schon kann die Sammlung von Unterschriften für einen guten Zweck losgehen. Zurzeit ist die an Heiligabend gestartete Petition "Für ein buntes Deutschland", bei der Unterschriften gegen die "Pegida"-Bewegung gesammelt werden, ein Hit. Mehr als 190.000 Menschen haben bis Sonntagabend unterzeichnet.

Die hohe Zahl an Unterstützern verwundert nicht: Die Online-Petition ist nicht nur schneller als der klassische Demonstrationsaufruf; sie verfügt außerdem über den unbestreitbaren Vorteil, dass niemand mehr bei Wind und Wetter auf die Straße muss. Nie war Protest so einfach. Vor 2013 brauchte man höchstens zwei Hände, um die politischen Hashtags des Jahres zu zählen. Seitdem kommt kein Protest ohne die Mobilisierungskräfte von Twitter, Facebook und Co. aus.

Die meisten Bezeichnungen für Online-Aktivismus sind nicht besonders schmeichelhaft. "Feelgood-Activism" wird er genannt: weil man sich angeblich nach einem simplen Retweet zurücklehnt mit dem Gefühl, schon genug getan zu haben. Bereits in den 90er Jahren kam das Wort "Slacktivismus" auf, zusammengesetzt aus Aktivismus und "slacker", dem englischen Wort für Faulpelz. "Slacktivismus": das bedeutet, dass man politische Inhalte teilt ohne sich weiter damit zu beschäftigen.

Natürlich verändert ein größeres Bewusstsein für Probleme nicht automatisch unser Handeln. Aber in vielen gesellschaftlichen Bereichen verändert es eben doch etwas. Hashtags rotten keinen Sexismus aus. Seit #Aufschrei überlegen viele Menschen aber genauer, ob das, was sie gleich sagen, jemanden verletzen könnte. Und für Menschen, die mit dem Internet aufgewachsen sind, macht es ohnehin keinen Unterschied, ob sie Facebook-Posts tippen oder Briefe schreiben, ob sie Online-Petitionen unterschreiben oder gedruckte, ob sie auf der Straße ein Schild hochhalten oder es mit der Handykamera verschicken. Am Ende steht das Engagement.

Online-Petitionen und Hashtags retten keine Leben. Aber sie sorgen dafür, dass wir aufmerksamer durch die Welt gehen und diejenigen, die Missstände beseitigen können, darauf aufmerksam werden. Mehr schaffen Demos im "echten" Leben da draußen (in der Regel) auch nicht.

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