Flüchtlingspolitik Neuer Streit um Familiennachzug

Berlin · Nach neuen Querelen zum Asylpaket II sollen heute Innen- und Justizminister eine Lösung finden. Der Ton aber ist gereizt. Der Kanzlerin fehlt so Rückendeckung für ihre heutige Reise in die Türkei.

Flüchtlingspolitik: Neuer Streit um Familiennachzug
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Für einige Tage schien der lange Streit zwischen Union und SPD über das Asylpaket II der Bundesregierung beigelegt. Am Wochenende aber brach erneut eine Auseinandersetzung über den Familiennachzug für minderjährige Flüchtlinge aus. Heute werden sich dazu Innenminister Thomas de Maizière (CDU) und Justizminister Heiko Maas (SPD) treffen. Gespräche gestern waren ohne Einigung verlaufen.

Hintergrund ist ein Streit um die Frage, ob es bestimmten minderjährigen Flüchtlingen verboten werden soll, ihre Eltern nach Deutschland zu holen. SPD-Chef und Vizekanzler Sigmar Gabriel hatte dem ARD-Hauptstadtstudio nach dessen Recherchen überraschend gesagt, ein solches Verbot sei mit ihm nicht abgesprochen gewesen. Tatsächlich sieht aber das gerade erst vom Kabinett verabschiedete Asylpaket II vor, dass der Familiennachzug zwei Jahre lang auch für Minderjährige ausgesetzt wird, die subsidiären Schutz in Deutschland erhalten. Davon sind Menschen betroffen, die nicht als Flüchtlinge anerkannt werden, kein Asyl erhalten, aus humanitären Gründen aber auch nicht abgeschoben werden.

Dass die entsprechende Formulierung im Asylpaket II auch vom Wirtschaftsministerium unter Gabriels Leitung gebilligt worden war, hatte den SPD-Chef in Erklärungsnot gebracht. Entsprechend bissig kommentierte die Union. Fraktionsvize Thomas Strobl (CDU) äußerte sich "sehr verwundert": "Außerdem sollte man doch erwarten können, dass die SPD-Ressorts die Gesetzesentwürfe auch genau lesen." CDU-Vize Julia Klöckner warf der SPD vor, eine Politik des "Hü und Hott" zu betreiben und so Populisten in die Hände zu spielen. CSU-Generalsekretär Andreas Scheuer spottete gar in der "Bild am Sonntag": "Da ist jeder Karnevalsverein besser organisiert als die SPD."

Günter Krings (CDU), Staatssekretär im Bundesinnenministerium, hat inhaltliche Bedenken gegen den SPD-Kurs. "Wer den uneingeschränkten Familiennachzug zu Minderjährigen will, der schafft einen Anreiz dafür, Kinder alleine auf eine lebensgefährliche Reise zu schicken - das ist nicht human, sondern unverantwortlich", sagte Krings unserer Redaktion. Er verwies darauf, dass im Kabinett nur Gesetzentwürfe verabschiedet würden, die vorher im Detail unter allen Ministerien abgestimmt wurden, "einschließlich der SPD-Ressorts".

Innen- und Justizminister, die heute eine Lösung herbeiführen sollen, hatten schon zuvor koalitionsinternen Streit um Gesetzesverschärfungen in der Asylpolitik beilegen können. Entsprechend optimistische Töne waren gestern aus Verhandlungskreisen zu hören. Anscheinend wolle man mit Verweis auf geltendes internationales Recht und eine sogenannte humanitäre Generalklausel eine Regelung schaffen, dass subsidiär schutzberechtigte Minderjährige ihre Familien nachholen können. Das Asylpaket II solle aber explizit nicht mehr aufgeschnürt werden, hieß es.

Der neuerliche Streit um die Regeln ist eine Belastung für Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) bei ihrem heutigen Besuch in der Türkei. Der Druck auf die Verhandlungen ist ohnehin groß, da Zehntausende Menschen wegen Bombardements russischer und regimetreuer Truppen aus der syrischen Provinz Aleppo an die türkische Grenze geflohen sind, aber keinen Zutritt zur Türkei erhielten. Auch Griechenlands Außenminister Nikos Kotzias erhöhte den Druck, eine europäische Lösung zu finden. Sein Land schütze die Seegrenze zur Türkei so gut, wie Meeresgrenzen zu schützen seien, sagte er unserer Redaktion. In der EU mangele es aber an Solidarität: "Einige Mitgliedsländer sind offenbar nicht gewillt, das Problem schnell anzugehen."

(jd / may-)
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