Interview mit Michael Groschek (SPD) "Privat vor Staat ist gescheitert"

NRW-Bau- und Verkehrsminister Michael Groschek (SPD) sprach mit unserer Redaktion über die Zukunft des Düsseldorfer Flughafens, die Pläne für eine Mietpreisbremse in NRW und warum Lkw-Fahrer in Zukunft für die Nutzung aller Straßen zahlen sollen.

 Michael Groschek, Minister für Verkehr, Stadtentwicklung, Bauen und Wohnen, will mehr Freiheiten für den Flugverkehr.

Michael Groschek, Minister für Verkehr, Stadtentwicklung, Bauen und Wohnen, will mehr Freiheiten für den Flugverkehr.

Foto: Miserius, Uwe

Was erwarten Sie von dem neuen Luftverkehrskonzept, dass die Große Koalition in Berlin angekündigt hat?

Groschek Das Wichtigste ist, dass der Bund endlich Mitverantwortung übernimmt. Bislang war dieses heikle Thema immer Opfer einer politischen Drückebergerei und wurde gerne auf die Bundesländer abgeschoben. Luftfahrt ist aber ein nationales Thema und von nationalem Interesse. Ich erwarte, dass die Betriebs- und Wachstumsbeschränkungen für die deutschen Flughäfen überprüft werden. Wir brauchen einige Flughäfen, die rund um die Uhr für Fracht beziehungsweise Interkontinentalflüge offen bleiben, wie das in Köln-Bonn für Frachtflüge der Fall ist.

Ist Düsseldorf nicht so wichtig?

Groschek Düsseldorf ist ein ebenfalls sehr wichtiger Flughafen, der aber historisch gewachsen an ein besonders enges juristisches Korsett gebunden ist.. Deshalb wird es hier nicht zu einer Aufweichung der Nachtflugbeschränkung kommen.

Düsseldorf will im Sommer eine neue Betriebsgenehmigung beantragen. Werden sie dem Flughafen mehr Flugbewegungen genehmigen?

Groschek Mein Ministerium ist in diesem laufenden Verfahren die Genehmigungsbehörde; daher darf ich mich zurzeit dazu gar nicht äußern.

Hat NRW zu viele Regionalflughäfen?

Groschek Da wird sich einiges anpassen, weil Wettbewerber wie Eindhoven ausbauen und Airlines ihr Flugangebot ändern. Aber als Land warten wir jetzt das Luftverkehrskonzept des Bundes ab. Darauf reagieren wir dann.

Warum hat das Land die Bundesanteile am Duisburger Hafen gekauft?

Groschek Die Frage muss doch wohl lauten: Warum hat der Bund sich vom Finanzminister zwingen lassen, seinen Anteil an diesem hoch profitablen Unternehmen zu verkaufen? Die Landesregierung wollte den Einfluss der öffentlichen Hand auf den Duisburger Hafen dauerhaft sichern. Das Konzept "Privat vor Staat" ist grundsätzlich gescheitert.

Braucht Deutschland eine Pkw-Maut?

Groschek Eine solche Maut nur für Ausländer zu fordern, wie die CSU das im Wahlkampf getan hat, hilft nur den Stammtischen in Bayern. Da funktioniert das, weil bayerische Autofahrer in Österreich und in der Schweiz wegen der räumlichen Nähe besonders oft zur Kasse gebeten werden. Die CSU will diese Melodie jetzt offensichtlich bis zur Europawahl spielen. Aber Bundesverkehrspolitik kann man nicht mit regionalpolitischen Wahlkampferwägungen gestalten.

Klar ist: Wir brauchen mehr Geld für den Erhalt des deutschen Straßennetzes. Genug Geld käme aber nur zusammen, wenn die Pkw-Maut für alle eingeführt würde. Deshalb werde ich auch den Verdacht nicht los, dass die Pkw-Maut für Ausländer nur den Weg für eine allgemeine Pkw-Maut vorbereiten soll. Meine Forderung lautet: Wir müssen die Lkw-Maut auf eine breitere Basis stellen. Lkw sollten nicht nur für die Nutzung von ausgewählten Straßenabschnitten zahlen, sondern für alle von ihnen genutzten Straßen.

Passt das noch zu Ihrem Plan, NRW zum europaweit wichtigsten Logistikstandort zu mache?

Groschek Das ist angemessen. Auf anderen Verkehrsträgern ist der Transport ja auch nicht umsonst. Auf der Bahn zahlt der Güterverkehr erhebliche Nutzerentgelte. Der Lkw-Verkehr fügt den Straßen den größten Schaden zu. Deshalb muss er als Verursacher auch stärker als andere am Erhalt der Straßen beteiligt werden. Außerdem wollen wir ja auch die Schiene und die Wasserwege für den Güterverkehr attraktiver machen.

Wird NRW bei Investitionen von der Bahn vernachlässigt?

Groschek Bahn-Chef Rüdiger Grube und ich haben verabredet, die wichtigen Verkehrsprojekte Betuwe-Linie und Rhein-Ruhr-Regionalexpress zügig voranzutreiben. Die Landesregierung wird zudem weitere Projekte benennen, die von der Bahn vorrangig zu behandeln sind. Dazu gehören der Ausbau der Strecke Münster-Lünen, der Ausbau der Bahnknotenpunkte Dortmund und Köln und der Eiserne Rhein

Darf Ex-Kanzleramtschef Roland Pofalla Bahn-Manager werden?

Groschek Das müssen die zuständigen Gremien entscheiden. Mir ist auf jeden Fall ein Bahnmanager lieber, der an einer Bürgerbahn interessiert ist als einer, der Pläne für eine Börsenbahn verfolgt.

Muss NRW mehr für den Lärmschutz tun?

Groschek Ja. Wir haben dazu eine eigene Projektgruppe im Ministerium gegründet. Wir bekämpfen die Krachmacher in der Luft, auf der Straße und auf der Schiene. Auf der Schiene haben wir schon große Erfolge erreicht. Im Luftverkehr unterstützen wir Gebührenmodelle, die Anreize für neue leisere Flugzeuge schaffen. Auf der Straße setzen wir uns für eine Verdopplung der Mittel im Bundeshaushalt ein. In NRW bekennt sich die Landesregierung auch gegen zum Teil deutliche Kritik zum Einsatz von Flüsterasphalt auf den Autobahnen. Wir werden diese Lärmbekämpfungsmaßnahme breitflächiger einsetzen.

Verbessert sich mit der neuen Bundesregierung der Mieterschutz?

Groschek Ja. Für den Mieterschutz müssen Bund, Länder und Gemeinden verstärkt zusammen arbeiten . NRW hat viel getan: Wir stoppen den Missbrauch von Wohneigentum mit einer strengeren Aufsicht, die ich Wohnungspolizei nenne. Das Bündnis für Wohnen erarbeitet Vorschläge gegen die Wohnungsnot, die wir vor allem in den Ballungszentren und in den Städten entlang der Rheinschiene haben. In Kürze wird das Land ein neues Förderprogramm für den Bau von Sozialwohnungen vorstellen, bei dem die Investoren über die ohnehin niedrigen Förder-Zinsen der staatlichen NRW-Bank hinaus zusätzliche Anreize erhalten. Das läuft auf Investitionszuschüsse hinaus - Details veröffentlichen wir in wenigen Tagen.

Was tut das Land für die Mieter?

Groschek Wir bereiten für Städte mit angespannten Wohnungsmärkten eine Landesmietpreisbremse vor. Die wird Mieterhöhungen bei bestehenden Mietverträgen auf maximal 15 Prozent in drei Jahren beschränken. Diesen Rahmen gibt das geltende Bundesgesetz vor. Für Wiedervermietungen tritt die Große Koalition jetzt noch stärker auf die Mietpreisbremse: Sie wird die Erhöhung auf zehn Prozent beschränken

Schreckt das Investoren ab?

Groschek Das ist immer Frage der Balance. Wir wollen nur überhitzte Märkte korrigieren. Wir wollen nur die Anleger treffen, die aus ihrem Betongold zulasten der Mieter die höchstmögliche Rendite auspressen wollen.

Wird die Landesregierung die Grunderwerbssteuer erneut erhöhen?

Groschek Das ist derzeit kein Thema.

In Düsseldorf ist der Wohnraum für einkommensschwache Mieter besonders knapp. Tut die Landeshauptstadt genug gegen dieses Problem?

Groschek Ich habe Düsseldorf deshalb schon öffentlich scharf kritisiert und will da keinen neuen Krach anfangen. Jedenfalls jetzt nicht. Wenn man es wohlwollend betrachtet, hat Düsseldorf die Trendwende eingeleitet. Die Zahl der Bauprojekte für sozialen Wohnraum ist in Düsseldorf von 27 Wohneinheiten im Jahr 2012 auf 115 im Jahr 2013 gestiegen. Das ist natürlich nur ein Tropfen auf den heißen Stein, da muss noch viel mehr passieren. Aber es zeigt immerhin, dass die bisherige Diskussion Früchte trägt.

Das Interview führte Thomas Reisener

(pst)
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