Lebensmittelskandal weitet sich immer mehr aus Nun auch Pferdefleisch in Döner entdeckt

Berlin · Während die Politik um Handlungsweise und angemessene Reaktion auf den Pferdefleischskandal ringt, hat eine Untersuchung unter deutschen Imbiss-Läden ergeben, dass auch Pferdefleisch in Döner-Gerichten verwendet wurde. Derweil bestätigte sich auch der Verdacht auf Pferdefleisch in Rewe-Produkten mit dem Namen "Beste Wahl".

 Wolfgang Bosbach sieht in den Dimensionen des Fleischskandals die Forderung nach dem Einsatz des BKA gerechtfertigt.

Wolfgang Bosbach sieht in den Dimensionen des Fleischskandals die Forderung nach dem Einsatz des BKA gerechtfertigt.

Foto: Miserius, Uwe

Das Institut für Produktqualität ifp hat nach Medien-Auskunft in einem Döner Pferdefleisch entdeckt. Das RTL-Magazin "Extra" hatte nach eigenen Angaben von ifp in 20 Imbiss-Läden in Leipzig und Berlin Döner-Stichproben untersuchen lassen. In einer Probe sei ein Anteil von knapp einem Prozent Pferdefleisch entdeckt worden, teilte der Sender am Sonntag mit. Darüber hinaus hätten drei weitere Proben bis zu sieben Prozent Schweinefleisch enthalten, das Muslime nicht verzehren. Döner werden normalerweise mit Rind- oder Lammfleisch oder auch Puten- und Hühnerfleisch gemacht

Unterdessen spricht sich die hessische Verbraucherministerin für schärfere Strafen bei Betrug im Lebensmittelbereich aus und CDU-Innenexperten Wolfgang Bosbach hält im Pferdefleisch-Skandal auch den Einsatz des Bundeskriminalamts für notwendig. "Sollte es auch deutsche Unternehmen geben, die in diesem Skandal kriminelle Aktivitäten entfaltet haben, muss wegen der internationalen Dimension das BKA die Ermittlungen übernehmen", sagte Bosbach dem Nachrichtenmagazin "Focus". Es sei wichtig, dass ausländische Ermittlungsbehörden einen zentralen Ansprechpartner hätten. "Wir haben es offensichtlich mit grenzüberschreitender organisierter Kriminalität zu tun, die strafrechtlich konsequent verfolgt werden muss", sagte der Vorsitzende des Bundestagsinnenausschusses dem Magazin.

"Die kriminalpolizeiliche Seite des Skandals ist ebenso wichtig wie die Debatte um schärfere Lebensmittelkontrollen. Die Gesellschaft braucht das Signal, dass der Staat bei solchen Vergehen alle Anstrengungen unternimmt, die Ganoven zu überführen." Zugleich müssten die Täter hart bestraft werden, um potenzielle Nachahmer abzuschrecken.

Puttrich: "Betrug muss unattraktiv werden"

Die Vorsitzende der Länder- Verbraucherministerkonferenz, Lucia Puttrich (CDU), hält schärfere Strafen bei einem Betrug wie dem Pferdefleisch-Skandal für notwendig. "Betrug muss so unattraktiv werden, dass man es schlicht und einfach lässt", sagte die hessische Ressortchefin in einem Gespräch mit der Nachrichtenagentur dpa. Deshalb müsse ein höheres Strafmaß geprüft werden. Bei falsch gekennzeichneten Fertigprodukten droht nach dem Lebensmittel- und Futtermittelgesetzbuch bisher eine Geldstrafe oder bis zu ein Jahr Haft - bei Fahrlässigkeit bis zu 50.000 Euro Geldstrafe.

Die Verbraucherminister von Bund und Ländern wollen an diesem Montag über Konsequenzen aus dem Pferdefleisch-Skandal beraten. Darin sind in Europa mehr Unternehmen verwickelt als bisher bekannt. In Deutschland wurden immer mehr Produkte entdeckt, bei denen Pferdefleisch nicht als solches gekennzeichnet war. Zusätzlich zu einem EU-Aktionsplan will der Bund mit den Ländern ein nationales Kontrollprogramm mit zusätzlichen Tests aufstellen.

Puttrich hält es für ratsam, dass Übeltäter öffentlich gemacht werden. "Die Prangerwirkung halte ich an der Stelle für notwendig", sagte sie. Nach jetzigem Recht sei die Veröffentlichung eines täuschenden Unternehmens nicht möglich.

Die Ministerin fordert mehr Aufschluss über die Herkunft von Fleisch. "Dass die Transparenz verbessert werden muss, darin sind wir uns schon einig." Dies müsse praktikabel sein. Bei dem Treffen an diesem Montag werde auch über eine verpflichtende Herkunftskennzeichnung geredet - bisher müssen nach EU-Recht nur die Inhaltsstoffe genannt werden. "Eine freiwillige Angabe kann sinnvoll sein", sagte Puttrich.

Auch veränderte Kontrollen durch die Unternehmen sind für die Ministerin ein wichtiger Punkt. "Man muss die Möglichkeit der Rückverfolgbarkeit bei unterschiedlichen Partnern überprüfen", sagte sie.

Aigner fordert rasche Aufklärung

Bundesverbraucherschutzministerin Ilse Aigner (CSU) forderte eine rasche Aufklärung. "Die Europäische Union hat ein strenges Lebensmittelrecht. Aber Vorschriften machen nur Sinn, wenn sie auch konsequent umgesetzt und überwacht werden", schreibt Aigner in einem Gastbeitrag für "Bild am Sonntag". "Die Lieferketten müssen gründlich durchleuchtet werden. Wo es Verstöße und Versäumnisse gab, muss das auch offengelegt werden."

Brandenburgs Verbraucherministerin Anita Tack (Linke) sagte an die Adresse Aigner, sie erwarte erste Vorschläge für eine Herkunftskennzeichnung von Fleisch auch in Fertiggerichten. "Diese sollte kurzfristig auf den Weg gebracht werden." Zuvor hatte bereits die Vorsitzende der Grünen-Fraktion im Bundestag, Renate Künast, verlangt, dass verarbeitetes Fleisch gekennzeichnet und die Aufzucht- und Mastbetriebe benannt werden müssten.

Zusätzlich zu einem EU-Aktionsplan wolle der Bund gemeinsam mit den Ländern ein nationales Kontrollprogramm mit zusätzlichen Tests aufstellen, kündigte Aigner in der "Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung" an.

Deutschland verhinderte schärfere Kontrollen

Laut "Spiegel" könnte eine Kennzeichnung für verarbeitete Produkte bereits existieren, hätte es nicht Widerstand auch aus Deutschland gegeben. Nach der europäischen Lebensmittelinformationsverordnung solle nicht nur bei Rindfleisch die Herkunftsangabe verpflichtend sein, sondern ab Dezember 2014 auch für Schweine-, Schaf-, Ziegen- und Geflügelfleisch. Die Regelung gelte aber nicht, wenn das Fleisch nur eine von vielen Zutaten sei. "Wir haben damals sehr viel weitergehende Regelungen gefordert, wurden aber vor allem von konservativen und liberalen Abgeordneten aus Deutschland ausgebremst", zitiert der "Spiegel" den Grünen-Abgeordneten im Europa-Parlament, Martin Häusling.

Das ganze Ausmaß des Skandals ist nach Worten von Aigner noch nicht absehbar. "Wenn sich der Verdacht der Ermittler erhärtet, dann haben skrupellose Betrüger bisher unvorstellbaren Etikettenschwindel im ganz großen Stil betrieben", schreibt sie in der "Bild am Sonntag". Es werde schwer für die Lebensmittelwirtschaft sein, das verspielte Vertrauen zurückzugewinnen. Aigner äußerte zugleich Verständnis für den Unmut der Verbraucher. ""Was draufsteht, muss auch drin sein" - auf diesen Grundsatz muss sich jeder Kunde verlassen können, unabhängig vom Preis", schreibt sie.

In den Pferdefleisch-Skandal sind europaweit mehr Unternehmen verwickelt als bislang bekannt. Schrittweise kommt Licht in das Netz aus Produzenten, Lieferanten und Händlern von Fertigprodukten, in denen möglicherweise nicht deklariertes Pferdefleisch verarbeitet wurde. Kontrolleure suchen weiterhin in Deutschland und anderen europäischen Ländern nach verdächtigen Lebensmitteln.

Rewe nimmt weitere Gerichte aus dem Verkauf

Die Supermarktkette Rewe hat derweil wegen Verdachts auf Pferdefleisch tiefgekühlte Chili Con Carne und Spaghetti Bolognese aus den Regalen genommen. Wie Labortests erwiesen, bestätigte sich der Verdacht. Nach einem Bericht des NDR enthielt die Eigenmarke "Beste Wahl - Chili con Carne" ebenfalls Pferdefleisch. Der Hersteller SGS Geniesser Service (Laage-Kronskamp) habe die Rewe Group darüber informiert, er könne nicht ausschließen, dass die beiden Produkte "REWE Chili con Carne 350g" und "REWE Spaghetti Bolognese 400g" Anteile von Pferdefleisch beinhalten könnten.

Kunden könnten bereits gekaufte Ware im jeweiligen Rewe-Markt zurückgeben und erhielten den Verkaufspreis erstattet, teilte Rewe mit.

(dpa/felt/sap/pst)
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