Martin Schulz vor Wahl zu SPD-Parteichef "Nun stehe ich hier vor Euch: ein Mann aus Würselen"

Berlin · Martin Schulz hat sich seiner Partei als neuer Vorsitzender und Kanzlerkandidat empfohlen: Der ehemalige EU-Parlamentspräsident präsentierte sich erneut als Mann aus "einfachen" Verhältnissen und benannte die gewaltigen Aufgaben für die SPD.

 Martin Schulz bei seiner Rede auf dem SPD-Sonderparteitag in Berlin.

Martin Schulz bei seiner Rede auf dem SPD-Sonderparteitag in Berlin.

Foto: afp

Das Highlight des SPD-Sonderparteitags steht eigentlich schon fest, als Martin Schulz die Bühne in Berlin betritt. Dass seine Partei ihn heute zum neuen Vorsitzenden und Kanzlerkandidaten wählen wird, gilt als gesetzt. Bleibt nur die Frage, wie groß die Zahl seiner parteiinternen Fans sein wird.

Von seiner Nominierung als Kontrahent der amtierenden Kanzlerin Angela Merkel (CDU) haben die Sozialdemokraten bereits profitiert. Die Zahl der Neueintritte sind hoch, also wandte sich Schulz direkt an die Neumitglieder: "Meine Botschaft an die jungen Männer und Frauen, die zu uns gekommen sind, ist die: Ihr seid nun Teil einer Familie, die sich für den mutigen Kampf um Freiheit und Demokratie einsetzen."

Um sich seiner Partei als neuer Chef zu empfehlen, stellte sich Schulz erneut als Kind einer einfachen Großfamilie dar: Er sei "echt faul in der Schule" gewesen und habe "nur Fußball im Kopf gehabt". Fast wäre "alles schief gelaufen", sagte er vor den Genossen. Dank seiner Familie und auch dank der Jusos habe sich dann das Blatt gewendet: "Meine zweite Chance war: Ich hab mich in Bücher reingefressen, mich politisch engagiert."

Sehr jung sei er Bürgermeister in Würselen geworden, zweimal sei er als solcher wiedergewählt worden. Als EU-Parlamentspräsident habe er später versucht, Europa klarer und sichtbarer zu machen. "Alle, die dieses Werk abwickeln wollen, finden in mir einen energischen Gegner", so Schulz über Europa.

"Nun stehe ich hier vor Euch: ein Mann aus Würselen, ein Mann aus einfachen Verhältnissen", sagt er. Auch deshalb verschreibe sich die Partei unter seiner Führung zukünftig noch stärker dem hart arbeitenden Mittelstand — Lohngerechtigkeit, Chancengleichheit, sichere Renten, gebührenfreie Bildung von der Kita bis zum Studium seien seine Hausaufgaben.

Er bewerbe sich auf ein großes Amt, trete in die Fußstapfen von August Bebel und Willy Brandt. Schulz soll Sigmar Gabriel ablösen, der seit 2009 an der Spitze der Sozialdemokraten stand. Zudem sollen die mehr als 600 Delegierten Schulz offiziell als Herausforderer von Kanzlerin Merkel bestätigen. Er war bereits Ende Januar vom SPD-Parteivorstand als Kanzlerkandidat nominiert worden.

An seinen Vorgänger Sigmar Gabriel gewandt, sagte Schulz: "Dass Du Deinen eigenen Ehrgeiz zurückgestellt hast, ist eine große politische und menschliche Leistung." Gabriel, der knapp acht Jahre lang an der Spitze der Partei stand, reagierte sichtlich ergriffen. Auch er hatte zuvor in seiner Rede nur Lob für seinen Nachfolger gefunden: "Du bringst nicht nur Deinen Kopf, sondern auch Dein Herz in die Politik."

Wie er es schaffen will, Merkel als Kanzler abzulösen, ließ Schulz auf dem Parteitag weiter offen. Er werde jedoch im Wahlkampf einen anderen Stil wählen als US-Präsident Donald Trump. Ganze Bevölkerungsgruppen in Deutschland pauschal zu verurteilen — dafür gebe es in Deutschland keinen Platz. Sein Versprechen: "Mit mir wird es keine Herabwürdigung des politischen Gegners geben."

Auch SPD-Generalsekretärin Katarina Barley zeigte sich vor Beginn der Versammlung euphorisch: "Die ganze SPD ist extrem motiviert." Schulz sei "der richtige Mann zur richtigen Zeit". Er gehe auf die Menschen zu und "versteht es, ihre Probleme aufzunehmen". Während Merkel zunehmend ideenlos erscheine, "sprüht Martin Schulz vor Ideen", sagte Barley weiter. "Dieser Parteitag ist für uns der nächste Schritt zur Kanzlerschaft."

(vek)
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