Luftangriff in Afghanistan Oberst Klein übernimmt die Verantwortung

Berlin (RPO). Der deutsche Oberst Georg Klein hat sein Vorgehen beim Luftschlag bei Kundus nach Angaben von Teilnehmern seiner Vernehmung im Untersuchungsausschuss verteidigt. Demnach bekannte sich Klein klar zu seiner Verantwortung. Zivile Opfer habe er vermeiden wollen. Die Opposition sieht auch nach der Aussage weiteren Klärungsbedarf.

Afghanistan: Das Protokoll des Luftangriffs
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Foto: AP

Klein gab zunächst eine 90minütige Erklärung ab und beantwortete dann stundenlang die Fragen der Abgeordneten, obwohl er die Aussage hätte verweigern können. Die Parlamentarier von Koalition und Opposition zeugten ihm dafür Respekt. Die Opposition blieb allerdings bei der Einschätzung, dass der Bombenabwurf falsch war.

Bei den von Klein angeordneten Luftangriffen auf zwei von Taliban entführte Tanklaster in der Nacht zum 4. September in der Nähe von Kundus waren bis zu 142 Menschen ums Leben gekommen, darunter zahlreiche Zivilisten. Kleins Anwalt sagte vor der Sitzung des geheim tagenden Ausschusses, nach den Kriterien des humanitären Völkerrechts stehe fest, dass die Entscheidung für diesen Luftangriff auf Grundlage der verfügbaren Informationen "rechtlich nachvollziehbar und damit rechtmäßig war". Zugleich sagte der Rechtsprofessor, dass Klein "unabhängig von der Rechtslage" alle Opfer dieses Konflikts bedaure, insbesondere den Tod unschuldiger Zivilisten. Jedes Opfer sei eines zuviel. "Dies war und dies ist Oberst Klein sehr bewusst", sagte Müssig.

Aussage aus Respekt vor dem Parlament

Alle Obleute des Verteidigungsausschusses zollten Klein Respekt für die Tatsache, dass er sich insgesamt sechs Stunden lang dem Ausschuss stellte. Da die Bundesanwaltschaft die Aufnahme von Ermittlungen prüft, hätte der Oberst die Aussage verweigern können. Dem Linksfraktionsabgeordneten Paul Schäfer zufolge begründete Klein seine Aussage mit Respekt vor dem Parlament.

Der Grünen-Politiker Omid Nouripour berichtete, Klein habe sich sehr klar dazu bekannt, dass er die Verantwortung für den Angriffsbefehl trage. "Damit trägt er auch die Verantwortung für Fehler", sagte er.

Der CDU-Politiker Ernst-Reinhard Beck nannte Kleins Entscheidung nachvollziehbar. Seine Motivation sei der Schutz der Soldaten gewesen. Er hätte nicht davon ausgehen können, dass Zivilisten zu Schaden kommen würden. Beck berichtete, Klein habe sich sehr menschlich gezeigt und sei "nicht als eiskalter Kommandeur aufgetreten". Auch der FDP-Abgeordnete Hellmut Königshaus sagte, er habe das Gefühl, dass Klein nicht leichtfertig Waffen eingesetzt habe.

"Es bleibt die Frage der Schuld"

Der SPD-Verteidigungsexperte Rainer Arnold sagte, er bleibe dabei, dass der Bombenabwurf falsch gewesen sei. Für Nouripour ergeben sich aus der Vernehmung eine Reihe von Fragen, so dass "das Puzzeln jetzt beginnt". Nouripour und Schäfer verwiesen auf die Verwischung von Personal und Kompetenzen zwischen dem Wiederaufbauteam (PRT) Kundus und der geheimen Einheit Task Force 47 (TF47), die zur Hälfte aus KSK-Elitesoldaten besteht.

Schäfer betonte auch: "Es bleibt die Frage der Schuld." Die müsse strafrechtlich beantwortet werden. Wahrscheinlich werde sich nie genau feststellen lassen, wie viele Menschen tatsächlich am Kundus-Fluss umkamen. Klein bekannte sich laut Beck und Schäfer auch zu seiner Verantwortung als Christ.

In den kommenden beiden Sitzungen des Untersuchungsausschusses werden weitere Soldaten als Zeugen gehört, darunter der Feldjäger, welcher den Bericht verfasst hatte, der den Rücktritt von Bundesarbeitsminister Franz Josef Jung auslöste. Jung war zur Zeit des Bombardements Verteidigungsminister. Er und sein Nachfolger Karl-Theodor zu Guttenberg werden ab dem 18. März vor dem Ausschuss vernommen. Möglicherweise wird auch Bundeskanzlerin Angela Merkel eingeladen.

Unterdessen meldete sich auch der Grünen-Politiker Hans-Christian Ströbele zu Wort. Nach seiner Darstellung war der umstrittene Luftschlag von Kundus möglicherweise nicht der einzige Luftangriff, an dem die Bundeswehr beteiligt war. "Es gibt Anhaltspunkte, dass der Angriff in Kundus vom 4.9. nicht das erste und einzige Mal gewesen ist", sagte Ströbele am Mittwoch in Berlin. Er bezog sich dabei auf eine Antwort der Bundesregierung auf eine von ihm gestellte parlamentarische Anfrage.

Aus dieser Antwort gehe hervor, dass es einen Angriff im Juli mit Unterstützung der US-Luftwaffe gegeben habe, bei dem fünf Personen getötet worden seien. Ströbele vermutete, dass die Sondereinheit Task Force 47 wieder gegen Zielpersonen eingesetzt worden sei. Das wäre dem Grünen-Politiker zufolge ein Verstoß gegen das ISAF-Mandat. Es gebe immer mehr Anhaltspunkte dafür, dass die Bundeswehr wie US-Spezialeinheiten "gezielte Vernichtungen" gegen Menschen vor Ort vornehme. Es werde behauptet, es habe sich um "direkten Feindkontakt" ("Troops in Contact") gehandelt. Er habe Hinweise, dass dies nicht so sei, sagte Ströbele.

(DDP/ap/spo)
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