Neuer Bundesfinanzminister Wie Olaf Scholz Angela Merkel gefährlich werden will

Berlin · Olaf Scholz baut das Finanzministerium zum Nebenkanzleramt aus und verfolgt mit Blick auf das Jahr 2021 ambitionierte Ziele. Der SPD-Politiker ist jetzt wieder auf der großen Bühne angekommen und gewillt, diese wohl letzte Chance seiner Politikerlaufbahn zu nutzen.

Olaf Scholz - Finanzminister, Vizekanzler, hanseatisch kühler Analyst
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Das ist Olaf Scholz

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Foto: dpa/Kay Nietfeld

Es ging alles ganz schnell. Kaum hatte Olaf Scholz sein Zimmer im Hamburger Rathaus geräumt, saß der frisch gebackene Vizekanzler Mitte März auch schon in der Regierungsmaschine "Konrad Adenauer" auf dem Flug nach Buenos Aires. Es war seine erste Dienstreise als Bundesfinanzminister. In Argentinien warteten auf ihn die Amtskollegen aus der Gruppe der G20-Staaten, den 20 einflussreichsten Nationen der Welt.

Scholz (59) ist jetzt wieder auf der großen Bühne angekommen, und er ist gewillt, diese wohl letzte Chance seiner Politikerlaufbahn zu nutzen, vielleicht noch etwas weiter zu kommen, nach ganz oben. Der gebürtige Osnabrücker war schon fast alles in den vergangenen 35 Jahren: Juso-Vize, Innensenator, Bundesarbeitsminister, SPD-Generalsekretär unter Gerhard Schröder.

"Ich bin zuversichtlich, dass wir den nächsten Kanzler, die nächste Kanzlerin stellen werden", sagt er nun dem "Stern", der oben in der Regierungsmaschine ein erstes Interview mit ihm führt. Wie immer, wenn es um die Kanzlerkandidatenfrage geht, lässt sich Scholz ein Hintertürchen offen: Es muss gar nicht Andrea Nahles sein, die designierte SPD-Vorsitzende, die 2021 als Spitzenkandidatin antritt, es könnte auch er sein, Scholz, wenngleich Nahles als Chefin den ersten Zugriff hätte.

Hinter Nahles hat sich Scholz im Rennen um die SPD-Kanzlerkandidatur in eine optimale Position gebracht. Während sie, sollte sie am 22. April wie erwartet zur SPD-Chefin gewählt werden, im aufreibenden Doppeljob an der Partei- und Fraktionsspitze die Kärrnerarbeit der Erneuerung der angeschlagenen Sozialdemokratie anpacken muss, kann er in Berlin regieren und sich als pragmatische linke Alternative zu Angela Merkel etablieren.

Vorerst ist Nahles zwar die große Gewinnerin des Absturzes ihrer beiden Vorgänger Martin Schulz und Sigmar Gabriel. Auch ihr Machtwille ist legendär. Noch stehen Nahles und Scholz eng zusammen, sie vertrauen einander und schätzen sich. Doch SPD-Vorsitzende haben im Vergleich zu Bundesministern durchschnittlich eine kürzere Halbwertzeit. Scholz hätte bei den Wählern wohl auch bessere Karten als Nahles. Die jüngste Forsa-Umfrage zur Kanzlerpräferenz jedenfalls ging so aus: Merkel gegen Nahles 51 zu 13 Prozent, Merkel gegen Scholz 46 zu immerhin 21 Prozent.

Nach Gabriel und Franz Müntefering ist Scholz nun schon der dritte SPD-Vizekanzler unter Merkel, doch seine Chance, diesmal die SPD und sich selbst nach vorne zu bringen, ist ungleich größer. Weil er Finanzminister ist, gehen sämtliche Gesetzentwürfe über seinen Schreibtisch, er kann überall mitreden, hat als Einziger am Kabinettstisch ein Veto-Recht. Gabriel dagegen hatte sich als Wirtschaftsminister bei der Energiewende aufgerieben, und Müntefering musste als Sozialminister die Rente mit 67 durchsetzen, keine Gewinnerthemen.

Vier statt bisher drei beamtete Staatssekretäre im Ministerium

Das Ministerium in der Wilhelmstraße hat sich Scholz schon mächtig ausgebaut: 41 neue Stellen ließ er sich vom Haushaltsausschuss des Bundestags genehmigen, das sind allein ein Fünftel aller neuen Stellen der Regierung. Wegen des zusätzlichen Vizekanzler-Jobs gibt es bei Scholz jetzt vier statt bisher drei beamtete Staatssekretäre.

Seinen langjährigen Adjutanten Wolfgang Schmidt beförderte Scholz zum Staatssekretär für internationale Finanz- und Währungspolitik. Schmidt leistet Scholz schon seit 2002 gute Dienste - ob Scholz nun SPD-Generalsekretär, Fraktionsgeschäftsführer, Arbeitsminister oder Bürgermeister war. Der 47-Jährige hat von internationaler Finanzpolitik bisher zwar wenig Ahnung, doch das spielt keine Rolle. Wichtig ist, dass er vom Finanzministerium aus die SPD-Ressorts koordinieren wird und dass Schmidt in der Partei und im Bundesrat bestens vernetzt ist. Jeden Mittwochmorgen müssen die SPD-Minister jetzt bei Scholz im Ministerbüro antreten, um die gemeinsame Linie festzulegen.

Auch in der Haushaltspolitik will Scholz den Rücken frei haben. Für die vernünftige Verteilung der Milliarden bei gleichzeitiger Wahrung der schwarzen Null sorgt wieder der Mann, der das schon für die Vorgänger Peer Steinbrück (SPD) und Wolfgang Schäuble (CDU) erledigt hat: Werner Gatzer ist nach einem Intermezzo bei der Bahn als Staatssekretär in die Wilhelmstraße zurückgekehrt. Dass er ein SPD-Parteibuch hat, macht sich doppelt gut.

Spektakulär auch, dass Scholz einen alten Kameraden aus Juso-Zeiten überreden konnte, auf ein höheres Gehalt zu verzichten und ins Finanzministerium zu kommen: Jörg Kukies, einer von zwei Chefs der deutschen Niederlassung der US-Investmentbank Goldman Sachs, soll Akzente in der Finanzmarkt- und vor allem Europapolitik setzen.

Überhaupt ist die Europapolitik das Feld, das Scholz als sein wichtigstes identifiziert hat. Denn nicht in der Haushalts- oder Steuerpolitik wird er Merkel entzaubern können, sondern nur in der Europapolitik.

Im Vergleich zum Vorgänger dreht er den Spieß um: Statt wie Schäuble in Europa knausrig und grantelnd aufzutreten und dann doch zu zahlen, tritt Scholz als aufgeschlossener und zahlungswilliger Europäer auf, der im Detail dann aber doch hart bleiben will.

(mar/jd)
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