Islamkritische Bewegung. "Pegida"-Check — wie islamisch ist Deutschland?

Düsseldorf · Mit ihren kurzen und griffigen islamfeindlichen Botschaften hat die "Pegida"-Bewegung Furore gemacht. Aber stimmen die Parolen mit der Wirklichkeit überein? Wir haben die wichtigsten Behauptungen statistisch überprüft.

Fragen und Antworten zu "Pegida"
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Foto: dpa, abu tmk

These: Wir sind das Volk.

Kommt drauf an. Auf der Straße zumindest nicht. Eine Massenbewegung ist "Pegida" nur in Dresden - dort sind am Montag 18 000 Menschen auf die Straße gegangen. Nur in Dresden war auch bisher die "Pegida"-Demo größer als die Gegenkundgebung. Viel größer ist die Unterstützung in Umfragen. Bei Yougov gaben zum Beispiel jüngst 49 Prozent an, "voll und ganz" oder "eher" Verständnis für die Demonstrationen zu haben. "Teils, teils" sagten 26 Prozent, "eher nein" oder "gar nicht" nur 23 Prozent. Zugleich sagten aber 67 Prozent, die Gefahr einer Islamisierung Deutschlands werde übertrieben dargestellt.

These: Deutschland wird islamisiert.

Das sind die Köpfe der "Pegida"-Bewegung
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Stimmt nicht. Statistisches Bundesamt und Bundesinnenministerium schätzen die Zahl der Muslime in Deutschland auf vier Millionen - ziemlich genau fünf Prozent der Bevölkerung. Das sind zwar 50 Prozent mehr als vor 20 Jahren, das Wachstum verlangsamt sich aber. Seit einigen Jahren stagniert die Zahl sogar. Weltweit lässt das Wachstum der muslimischen Bevölkerung nach einer Studie des US-Instituts Pew nach. Für das Jahr 2030 sagt das Institut 5,5 Millionen Muslime in Deutschland voraus - das wären sieben Prozent der Bevölkerung, etwas weniger als heute in NRW. Knapp die Hälfte der Muslime besitzt die deutsche Staatsbürgerschaft.

These: Mancherorts gibt es schon eine muslimische Mehrheit.

Stimmt - zumindest in einzelnen Vierteln oder Straßenzügen. In Duisburg-Bruckhausen zum Beispiel hatten Ende 2013 fast 79 Prozent der Einwohner einen Migrationshintergrund. Zwar differenziert die Statistik nicht nach Religionen. Ein Integrationsbericht der Stadt Duisburg ergab aber 2009, dass etwas mehr als die Hälfte der Duisburger Migranten Muslime sind. Daraus ergäbe sich für Bruckhausen ein muslimischer Anteil von 40 bis 45 Prozent. Insgesamt liegen viele NRW-Städte über dem Bundesschnitt. In Duisburg leben nach Auskunft der Stadt bis zu 50 000 Muslime - rund zehn Prozent. In Mönchengladbach sind nach Auskunft der Stadt acht Prozent der Bewohner Muslime (20 000 Menschen), in Köln 13 Prozent. Die Zahlen der Städte sind allerdings nur grobe Schätzwerte. Denn das deutsche Melderecht erfasst lediglich die Religionsgemeinschaften, die in Deutschland Kirchensteuer zahlen müssen. Muslime gehören nicht dazu, werden also nicht zentral erfasst. Die Städte behelfen sich mit verschiedenen Schätzmodellen.

These: In den Grundschulen sind die Muslime schon in der Mehrheit.

Stimmt so pauschal nicht. Das Schulministerium gibt die Zahl der muslimischen Kinder in den Grundschulen für das vergangene Schuljahr mit 16,2 Prozent an - zwei Prozentpunkte mehr als vor fünf Jahren und 3,3 Punkte mehr als 2004. Der Anteil der muslimischen Kinder an Grundschulen ist dreimal so hoch wie in der Gesamtbevölkerung - die Muslime in Deutschland sind im Durchschnitt deutlich jünger als die hier lebenden Menschen ohne Migrationshintergrund. Dass muslimische Grundschüler die stärkste Religionsgemeinschaft seien, meldete bereits 2011 Duisburg - hier standen 17 000 muslimische 15 000 katholischen und 13 000 evangelischen Kindern gegenüber. Nach Schulformen ist der muslimische Anteil an Hauptschulen am höchsten (22,4), an Gymnasien am niedrigsten (7,2 Prozent).

These: Das Schulessen ist schon frei von Schweinefleisch.

Spott im Netz für "Pegida"-Anhänger
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Foto: Screenshot Facebook

Stimmt zum Teil. In Mönchengladbach gibt es zwei Regelungen, zwischen denen die Schulen (und auch Kindertagesstätten) wählen können: Entweder gibt es täglich ein schweinefleischfreies Hauptgericht, oder alle Gerichte sind schweinefleischfrei. In den 61 Grundschulen in Duisburg, die Mittagessen anbieten, wird an solchen mit einem hohen Anteil an Muslimen kein Schweinefleisch angeboten.

These: Der Islam ist gewaltbereit und bedroht auch Deutschland.

Stimmt nur für eine kleine islamistische Minderheit. Im Verfassungsschutzbericht des Bundesinnenministeriums sind dem Islamismus und dem islamischen Terrorismus mehr als 50 Seiten gewidmet. Mehr als 43 000 in Deutschland lebende Menschen, zumeist Männer, sind Islamisten, die die Demokratie teils aktiv bekämpfen (vor fünf Jahren waren es noch 36 000). Als besonders radikale Strömung innerhalb des Islamismus gilt der Salafismus, dem in Deutschland 7000 Anhänger zugerechnet werden. Als gewaltbereit eingestuft sind rund 260 Personen.

These: Radikale Prediger und fundamentalistische Koranschulen geben in den Gemeinden den Ton an.

Stimmt nicht. Nach einer Studie des Bundesamts für Migration gibt es in Deutschland 2350 islamische Gemeinden. Da sind die alevitischen Gemeinden, eine liberale Glaubensrichtung im Islam, bereits eingerechnet. Die bis zu 2500 islamischen Religionsbediensteten, die in Deutschland arbeiten, stehen laut Studie für einen "dialogbereiten Islam". Über die Zahl der radikalen Prediger gibt es keine offiziellen Angaben. Wie viele Moscheen der Verfassungsschutz in Deutschland beobachtet, ist geheim.

(fvo/haka/mic/qua/sef)
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