"Verdacht auf Volksverhetzung" Staatsanwalt ermittelt nach Pirinçcis KZ-Rede

Dresden · Selbst einige "Pegida"-Anhänger fühlen sich von der islam- und fremdenfeindlichen Rede des deutsch-türkischen Autors Akif Pirinçci bei der Jubiläums-Kundgebung der Bewegung abgestoßen. Jetzt hat die Staatsanwaltschaft Dresden Ermittlungen aufgenommen.

Pegida: Tausende bei "Pegida"-Demo am 19. Oktober 2015
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Tausende bei "Pegida"-Demo am 19. Oktober 2015

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"Wir ermitteln wegen des Verdachts der Volksverhetzung", sagte Oberstaatsanwalt Lorenz Haase am Dienstag. Grund sei die Anzeige einer Privatperson, die noch in der Nacht bei der Polizei erstattet worden sei. Konkret gehe es um den Satz: "Es gäbe natürlich andere Alternativen, aber die KZs sind ja leider derzeit außer Betrieb". Allerdings hatte Pirinçci diesen Satz nicht auf Flüchtlinge bezogen. "Wir prüfen die strafrechtliche Relevanz", sagte Haase. Wann mit der Entscheidung über ein mögliches Strafverfahren zu rechnen sei, könne er noch nicht sagen.

Der zu den Hauptrednern der Kundgebung zählende Pirincci hatte in seiner Rede einen angeblichen Vorfall in Hessen geschildert, wo ein CDU-Politiker einem Kritiker einer Flüchtlingseinrichtung gesagt haben soll, er könne Deutschland jederzeit verlassen. Pirincci sagte, offenbar habe die Politik die Angst und den Respekt vor dem eigenen Volk so restlos abgelegt, dass ihm schulterzuckend die Ausreise empfohlen werden könne, wenn es nicht pariere. Danach sagte er den Satz: "Es gäbe natürlich andere Alternativen. Aber die KZs sind ja leider derzeit außer Betrieb."

Pirincci bekam zumindest von einem Teil der etwa 20.000 Teilnehmer der "Pegida"-Kundgebung Applaus. Die "Pegida"-Verantwortlichen um Gründer Lutz Bachmann ließen Pirincci nach diesen Äußerungen gewähren. Die gesamte Rede war durchsetzt von verbalen Ausfällen und Anfeindungen, so sprach Pirincci von einer "Moslem-Müllhalde" in Deutschland, warnte vor einer "Umvolkung", bezeichnete die Flüchtlinge als "Invasoren" und nannte Politiker "Gauleiter gegen das eigene Volk". Bachmann beendete die Pirincci-Rede zwar vorzeitig, dies aber mit Hinweis auf die fortschreitende Zeit.

Am Dienstagmorgen sagte "Pegida"-Mitbegründer René Jahn der Deutschen Presse-Agentur: "Viele Leute waren entsetzt". Viele hätten auch das Gelände verlassen wollen, wären aber wegen der dicht stehenden Menge gar nicht weggekommen.

Stichwort Volksverhetzung

Nach Auffassung des Strafrechtlers Helmut Pollähne vom Republikanischen Anwälteverein könnte Pirincci mit seinen Äußerungen sehr wohl den Straftatbestand der Volksverhetzung erfüllt haben. Volksverhetzung wird mit Haft von drei Monaten bis zu fünf Jahren bestraft. Die Staatsanwaltschaft muss bei Verdacht auf Volksverhetzung ein Ermittlungsverfahren einleiten, eine Strafanzeige ist dazu nicht nötig.

Laut Gesetz macht sich wegen Volksverhetzung strafbar, "wer in einer Weise, die geeignet ist, den öffentlichen Frieden zu stören, zum Hass gegen Teile der Bevölkerung aufstachelt oder zu Gewalt- oder Willkürmaßnahmen gegen sie auffordert". Ebenso macht sich strafbar, wer "die Menschenwürde anderer dadurch angreift, dass er Teile der Bevölkerung beschimpft, böswillig verächtlich macht oder verleumdet".

Mit "Teilen der Bevölkerung" sind aber keineswegs nur Deutsche gemeint. Nach Angaben des Wissenschaftlichen Dienstes des Bundestag meint dieser Begriff "alle im Inland lebenden Personenmehrheiten", die sich aufgrund gemeinsamer äußerer oder innerer Merkmale "als eine von der übrigen Bevölkerung unterscheidbare Bevölkerungsgruppe darstellen". Unerheblich sei, ob es sich um Deutsche oder Ausländer handelt.

SPD: Verfassungsschutz muss mehr tun

Derweil hat die SPD-Generalsekretärin Yasmin Fahimi die Sicherheits- und Verfassungsschutzbehörden aufgefordert, die "Pegida"-Bewegung stärker zu beobachten. "Ich bin der Überzeugung, dass die Landes- und Bundesverfassungsorgane jetzt dringend diese Menschen unter die Lupe nehmen müssen", sagte Fahimi am Dienstag dem Deutschlandfunk. Von den Salafisten bis hin zu "denen, die diese rechtsradikale Hetze und Stimmung in unserem Land verbreiten" müsse allen entgegengetreten werden, die den Boden für Hass und Gewalt bereiteten.

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(felt/dpa/AFP)
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